Interview: Training, Hormone & der weibliche Zyklus

Athletinnen sollten „mit“ ihrem Zyklus trainieren – hast du das auch schon mal gehört? Die Idee: Der weibliche Zyklus und die damit verbundenen Änderungen des Hormonstatus, sollen Auswirkungen auf Leistungsfähigkeit und den Trainingserfolg haben. Aus diesem Grund schwirren immer häufiger die Schlagworte „zyklusbasiertes Training“ bzw. „zyklusorientiertes Training“ durch die Sportlerinnen-Community. Doch wie relevant ist das für (Freizeit-)Sportlerinnen, was gibt es zu beachten und wie lässt es sich umsetzen?

(Beitrag aktualisiert am 03.11.2025; erstmals veröffentlicht am 17.06.2020)

Für diesen Beitrag habe ich mir Unterstützung von einer Expertin geholt und ich kann mir keine bessere Gesprächspartnerin dafür wünschen! Ich hoffe, Ihr findet ihre Antworten und Einblicke genauso spannend wie ich!

female.performance.coaching: das ist die Expertin

Sabrina ist Personal Trainerin in der KRAFTBASIS Stuttgart, ihrer eigenen Einrichtung für Personal Training und Physiotherapie. Dort darf sie mit Olympiafinalist*innen und Alltagsathlet*innen zusammen arbeiten. Seit ihrer Jugend war sie aktive Leistungssportlerin und hat somit aus erster Hand gelernt, was es heißt auf den eigenen Körper zu hören, wenn es um Training, Regeneration und Ernährung geht.

Dieses Wissen gibt sie in ihren Coachings an ihre Klient*innen weiter. Denn jeder Körper ist individuell mit unterschiedlichen Stärken, Schwächen und Bedürfnissen. Für die passgenaue Betreuung weiblicher Athletinnen, geht Sabrina noch einen Schritt weiter und integriert die weibliche Physiologie als weitere entscheidende Komponente für eine optimale Performance und Trainingsgestaltung. Um dies auch anderen Trainer*innen ermöglichen zu können, durfte sie bereits mehrmals die Landestrainer:innen Baden-Württemberg und Trainer:innen in anderen Verbänden weiterbilden.

Sabrina Dieskau KRAFTBASIS Stuttgart

Wie bist Du auf die Idee gekommen, Dich als Trainerin gezielt mit der Betreuung weiblicher Athletinnen zu befassen?

Sabrina: Ich habe während meiner eigenen Laufbahn sehr viel auf die Ernährung geachtet und so einiges ausprobiert. Neben sehr strikten Low Carb-Diäten, nur 3 Mahlzeiten am Tag und einem langjährigen Ausflug in eine Kombination aus fettbasierter Ernährung und intermittierendem Fasten, hatte es sich irgendwann abgebildet, dass es immer ganz darauf ankommt, auf welchen Boden etwas fällt. Während mein Mann mit der fettbasierten Ernährung sehr gut zurecht kam, habe ich zugenommen, bin langsamer geworden und konnte nicht mein volles Potenzial (körperlich und mental) abrufen.

Im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit habe ich dann ab März 2020 damit begonnen, mich fortzubilden, um diese geschlechterspezifischen Unterschiede auch in meinen Coachings berücksichtigen zu können.

In den letzten Jahren rückte der weibliche Zyklus bei Sportlerinnen immer mehr in den Vordergrund. Weshalb sollte man als weibliche Athletin den eigenen Zyklus „auf dem Schirm haben“?

Sabrina: In der Theorie ist es ganz einfach seine Periode / seinen Zyklus per App zu tracken. In der Praxis sieht es leider oftmals so aus, dass einige Frauen gar nicht wissen, welcher Zyklustag heute ist und wann die nächste Periode zu erwarten ist. Für Sportlerinnen hat das allerdings einige Vorteile „genau Bescheid zu wissen“.

Mit Einsetzen der Blutung beginnt ein neuer Zyklus und die weiblichen Sexualhormone (v. a. Östrogen und Progesteron) fallen ab. Bis etwa zur Mitte des Zyklus läuft nun die Follikelphase. Anschließend folgt der Eisprung und die Lutealphase, in der die Hormone bis zum Einsetzen der nächsten Blutung stark ansteigen. Den individuellen Zyklus zu kennen, bietet die Gelegenheit, das Training und die Ernährung auf die jeweilige Phase anpassen zu können.

Die Eckpunkte des weiblichen Zyklus

  • Die Länge des Zyklus fällt individuell unterschiedlich aus und bewegt sich meist in Bereichen von 21 und 35 Tagen.
  • Grob lassen sich 4 Phasen benennen: Menstruation, Follikelphase, Eisprung und Lutealphase.
  • Die Menstruation markiert den Beginn eines neuen Zyklus, zwischen Follikel- und Lutealphase findet der Eisprung statt.

Früher in der Schule wurde die Menstruation nur allzu gern als Ausrede genutzt, nicht am Sportunterricht teilnehmen zu müssen. Aus sportphysiologischer Sicht: berechtigt oder nicht?

Sabrina: Rein aus hormoneller Sicht betrachtet muss sich keine Frau / kein Mädchen Sorgen machen, wenn sie während eines wichtigen Events ihre Tage bekommt. Somit auch nicht beim Sportunterricht. Durch den Abfall der Hormone, kommt der Körper theoretisch in die beste Voraussetzung Höchstleistung zu erbringen. Er kommt aus dem „Nestmodus“. Da keine Befruchtung der Eizelle stattgefunden hat, muss der Körper aktuell keine Energie mehr dafür aufbringen.

Doch auch hier kommt die Praxis ins Spiel: Jede Frau reagiert anders. Die einen haben eine sehr human ablaufende Blutung und kaum Schmerzen. Andere leiden in den ersten 3 Tagen richtig und erst danach ist wieder an Sport zu denken. Genauso ist es mit Begleiterscheinungen wie Wasseransammlungen, Erschöpfungsgefühlen, Magen-Darm-Problemen während der Blutung. Auch hier kann man in einzelnen Fällen mit Nahrungsergänzungsmitteln wie Magnesium und Zink etwas nachhelfen.

Um nochmal speziell auf den Sportunterricht einzugehen: Für junge Mädchen, die gerade in die Pubertät kommen und ihre erste Blutung erleben, ist es vor allem ein ganz komisches und neues Körpergefühl. Der Körper verändert sich, ohne dass man darauf einwirken kann, sondern es passiert einfach. Die Pubertät ist für Mädchen eine Zeit, in denen häufig auch Sport ganz neu definiert wird. Manche Bewegungen sind nicht mehr so einfach zu absolvieren und müssen vielleicht sogar neu gelernt werden. Hier ist es an den Eltern, Lehrern und Trainern, aufzupassen und abzupuffern. Denn die Drop-out-Rate aus dem Sport aufgrund von Einsetzen der Periode/Pubertät ist bei jungen Mädchen relativ hoch.

Seit einigen Jahren konnte man nun beobachten, wie zyklusbasiertes/orientiertes Training immer mehr Zuspruch erhielt. Was versteht man eigentlich darunter?​​

Sabrina: ​​​Beim zyklusbasierten Training wird der Zyklus als Grundlage für die Trainingsplanung genommen und die Trainingsreize auf die verschiedenen Phasen verteilt. Häufig werden hier Phasen mit Jahreszeiten gleichgesetzt: Die Periode simuliert den Winter, die Follikelphase ist der Frühling, der Eisprung der Sommer und die Lutealphase der Herbst, bevor es mit der Periode wieder in den Winter geht.

So verhalten sich auch die Trainingsempfehlungen: Wenig Belastung bzw. leichte Belastung während der Periode, wie zum Beispiel Walking und Yoga, erhöhte Belastungen in der Follikel- und Ovulationsphase (z. B. intensivere Einheiten wie HIIT-Training) und in der Lutealphase sinkt die Belastung wieder auf moderate Einheiten.

Wichtig zu verstehen: Diese Herangehensweise ist nicht wissenschaftlich fundiert und geht maximal auf anekdotische Empfehlungen zurück. Das bedeutet jedoch nicht, dass auftretende Symptome ignoriert und dem Zyklus im Sportkontext keine Beachtung geschenkt werden soll. Da es sich um ein sehr subjektives Thema handelt, können natürlich auftretende Symptome sich auch auf die sportliche Performance auswirken. Es ist aber nicht per se eine Phase oder ein Hormonlevel daran schuld.​​ 

Wie ist deine professionelle Einschätzung zu dem Thema zyklusbasiertes/orientiertes Training?​

​​​Sabrina: Den Zyklus, die damit auftretenden Symptome und potenzielle, individuelle Auswirkungen auf die Performance zu berücksichtigen, erachte ich als sehr wichtig. Nur sind “one size fits all”-Pläne, die auf 28-tägigen Zyklen fußen, fernab der Realität. Zyklen unterscheiden sich voneinander und können kaum vorausgesagt werden. Es kann in jeder Zyklusphase eine Höchstleistung erreicht werden, vor allem, wenn wir von Wettkämpfen ausgehen. Das bedeutet nicht, dass man sich aber fernab von Wettkämpfen durch das Training quälen muss, wenn es die Tagesform nicht zulässt. ​​ 

​​​Nehmen wir also die zwei Extreme – durch ein Training pushen, obwohl es sich an diesem Tag falsch angeht und Trainingseinheiten zu niedrig intensiv gestalten, weil man gerade in der dementsprechenden Phase ist. Die Antwort liegt irgendwo in der Mitte. Bedeutet im Klartext: Um den Zyklus in der Trainingsplanung berücksichtigen zu können, sollten Athletinnen Autoregulation verstehen und kommunizieren lernen. Kommunikation vor allem im Kontext einer Trainer:innen-Athletinnen-Beziehung. Nicht jeder Trainingsplan kann komplett über den Haufen geschmissen werden, schon gar nicht, wenn man Grundlagen der Trainingswissenschaft wie Progression berücksichtigen möchte. Autoregulation hilft in bestimmten Situationen bspw. Volumen oder Intensität des Trainings anzupassen.

In der Praxis bedeutet es: Die eine Athletin kann ggf. in Phasen intensiver trainieren, die von zyklusbasierten Ansätzen im Voraus ausgeschlossen wurden. In den ersten Tagen der Periode wünscht sich eine andere Athletin dann Anpassungen, weil sie aufgrund von Schmerzen nicht im entferntesten an Sport denken kann. All’ das ist absolut in Ordnung. ​​ 

Dennoch: Wie können Athletinnen Ihren Zyklus aktiv für ihr Training „nutzen“? Also wie trainiert man am besten mit dem Zyklus und was sind die Vorteile?

Sabrina: Um den eigenen Zyklus berücksichtigen zu können, sollten Athletinnen ihre Daten sammeln. Hier kommt Zyklustracking ins Spiel. Ein guter Anfang ist eine Datensammlung von mindestens drei Zyklen. Ob diese Daten mit Stift und Papier, in einer App oder via einem Tracker gesammelt werden, ist sekundär, wenn es um Training geht. Zur Verhütung empfehle ich diese Methoden nicht, denn keine App kann den Eisprung perfekt voraussagen. In Bezug auf das Training hilft die Datensammlung um Symptome, die ggf. jeden Zyklus zur ungefähr gleichen Zeit wiederkehren, zu verstehen und Muster zu erkennen.

Auf Basis dieser gesammelten Erfahrungen können dann individuelle Anpassungen gemacht werden. Auch hier möchte ich nochmal betonen: Es geht nicht darum, die Signale des Körpers zu ignorieren, sondern seine individuellen Erfahrungen zu machen und auf dieser Basis sein Training anzupassen. Sind die ersten Schritte gemacht, so können weitere Themen in den Vordergrund rücken: Wie sieht es aus mit der Energieversorgung und Hydration? Können hier noch Dinge verbessert werden? Neben der Anpassung der Trainingsparameter liegt auch hier noch einiges an Gold vergraben, denn eine gesteigerte Energiezufuhr kann sich positiv auf Trainingsleistung und ggf. sogar auf das ein oder andere Symptom auswirken. 

Sportwissenschaftlerin, Sporttherapeutin (i.A.) und Ernährungsberaterin

Gibt es No Gos bzw. was sollte vermieden werden?

Bei stark unregelmäßigen Zyklen oder dem Ausbleiben der Periode sollte man sein Trainingsvolumen / seine Trainingsintensität herunterfahren und mit einer Ärztin oder einem Arzt sprechen. Eine ausbleibende Periode ist absolut nicht cool und es ist kein Zeichen dafür, dass man unglaublich hart trainiert hat. Genauer gesagt: Es ist keine „Trophäe“ für besonders harte Arbeit, sondern eine Warnung des Körpers.

Ein allgemeines No Go ist zudem, auch in Bezug auf den Zyklus, sich seine Trainingseinheiten reinzudrücken, obwohl der Körper „NEIN!“ sagt.

Was sollte ich als Sportlerin aus dem Thema zyklusorientiertes Training für mich mitnehmen?

Sabrina: Um es in zwei Absätzen zu sagen: Sammle deine individuellen Daten, für deinen Zyklus und deinen Körper. Passe Parameter danach an. Es gibt keine one-size-fits-all-Pläne und Zyklen können sich voneinander unterscheiden.  

Sollten Anpassungen der Trainingsparameter wie bspw. Volumen und Intensität nicht ausreichen, so könnte sich ein Blick auf die Energieverfügbarkeit und auf das Trainingsprogramm im Allgemeinen lohnen. Einiges lässt sich mit adäquater Energiezufuhr und Trainingsplanung lösen.  

Sportwissenschaftlerin, Sporttherapeutin (i.A.) und Ernährungsberaterin

Liebe Sabrina, vielen Dank für Deine Zeit und dafür, Dein Wissen hier zu teilen! Ich habe dabei für mich ein paar sehr interessante Erkenntnisse gewonnen, die ich zukünftig bei meinem eigenen Training auch berücksichtigen möchte.

Wer mehr über Sabrina und das female.performance.coaching erfahren möchte, sollte dem zugehörigen Account auf Instagram folgen. Wer sich darüber hinaus für ein persönliches Coaching (online und offline möglich) interessiert, findet auf KRAFTBASIS weitere Informationen.

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3 thoughts on “Interview: Training, Hormone & der weibliche Zyklus

  • Schöner Artikel und es freut mich, dass das Thema aufgegriffen wird.
    Das Training nach dem Zyklus ausrichten ist ja schön und gut, das mache ich auch. Eher unfreiwillig, weil mein Körper mich dazu zwingt und in bestimmten Phasen einfach keine Höchstleistungen drin sind. Damit muss ich mich abfinden.
    Aber was ist mit Wettkämpfen? Ich kann mir leider nicht aussuchen in welcher Zyklusphase der Wettkampf stattfindet. Das ist für mich sehr problematisch. Leider habe ich noch keine Lösung gefunden, meinem Zyklus ein „Schnippchen“ zu schlagen. Literatur oder ähnliches dazu gibt es auch kaum.
    Mit Ernährung, habe ich festgestellt, kann man einiges steuern, aber eben nicht alles 🙁

    • Hallo liebe Isabelle,

      ja, das ist in der Tat eine echte Downside… habe mir auch schon gedacht, wie frustrierend das ist: man trainiert perfekt, bereitet sich vor und legt alle Grundlagen und am Ende kann man nicht optimal abliefern, weil frau vielleicht gerade einfach in der falschen Phase ist. Das ist doch ein schlechter Scherz. Aber vermutlich kann man in der Situation auch nichts anderes tun, als es dennoch durchzuziehen – aber eben mitd em Wissen, dass ggf. mehr drin gewesen wäre.

      Danke in jedem Fall für Deine Rückmeldung und Dein Feedback zum Artikel!

      Liebe Grüße,
      Sarah

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