Kürzlich hatte ich auf Instagram das Bild eines schön angerichteten Kaffees gepostet: very instagrammable auf einer hellen Marmorplatte samt neuer Uhr. Doch um das Blogger-Klischee nicht allzu sehr auszureizen, habe ich zumindest einen halbwegs informativen Post dazu geschrieben – let’s hope so…
Passend dazu gab es in den Stories eine Umfrage: „Was glaubt Ihr, ist Kaffee denn nun gesund oder doch eher ungesund?“ Ich war überrascht, dass das Ergebnis recht eindeutig ausfiel – 90% der Teilnehmer (n= 400) stimmten für „gesund“. Dennoch erreichten mich so einige persönliche Nachrichten, die mir nahelegten mein Posting noch einmal zu überdenken – Kaffee sei tendenziell doch eher ungesund. Tatsächlich habe ich dann noch länger darüber nachgedacht, ob ich direkt ein zweites Posting veröffentlichen soll, um die Diskussion am Laufen zu halten. Doch vorerst hatte ich mich dagegen entschieden und stattdessen einen ganzen Blogpost verfasst. So verschwindet die Antwort nicht in den Tiefen eines Instagram-Feeds und wir können auch mal tiefer in die Thematik gehen.
Gleich vorweg: hätte man mich ganz unvermittelt mit der Frage konfrontiert, ich hätte wohl gesagt, dass grundsätzlich immer die Dosis das Gift macht, aber abgesehen davon Kaffee weder übermäßig gesund, noch wahnsinnig ungesund ist. Jedoch haben in meinem beruflichen Umfeld kürzlich mehrere Ärzte und Leberspezialisten immer wieder geäußert, dass gegen eine Kaffeepause nichts einzuwenden sei, schließlich wollen wir ja alle von den leberprotektiven Eigenschaften eines Kaffees profitieren. Da meine Leber derzeit leider nicht in der besten Verfassung ist, bin ich natürlich hellhörig geworden und wollte mehr wissen. Ich staunte nicht schlecht, als ich nach eingehender Recherche meinen Kopf wieder aus der wissenschaftlichen Primärliteratur zog. Nicht nur, dass Kaffee „weder übermäßig gesund, noch ungesund ist“, Kaffee ist sogar durchaus gesund – wobei auch hier Ausnahmen die Regel bestätigen, dazu aber auch gleich mehr.
Die Mischung macht’s – Kaffee, ein ziemlich komplexes Gebräu [1]
Denken wir an Kaffee und seine potenziellen Effekte, dann fällt eigentlich immer und fast ausschließlich: Koffein. Dabei ist Koffein nur einer von vielen Stoffen, der in Kaffee zu finden ist. Man schätzt, dass mehr als 1000 verschiedene Stoffe Geschmack, Wirkung und Aroma eines Kaffees beeinflussen. Darunter finden sich die bioaktiven Stoffe des Kaffees:
- Methylxanthine: z.B. Koffein, Theobromin, Theophyllin
- Diterpenalkohole: Cafestol, Kahweol
- Chlorogensäuren (Polyphenole): Caffeoylquininsäuren, Feruloylquininsäuren, p-Coumaroylquininsäuren
- Flavonoide: Catechine, Anthocyanide
- Hydroxyzimtsäuren: Ferulasäure, Kaffeesäure, p-Coumarsäure
- Tocopherole (Vitamin E)
- Niacin
- Vitamin B3
- Melanoide
- Magnesium
- Kalium
Wer jetzt bei all den chemischen Bezeichnungen ausgestiegen ist… kurz gesagt: diese Stoffe wirken mitunter gegen Schädigung der DNA, Proteine und Lipide, entfalten antioxidative und antiinflammatorische Eigenschaften und können im Rahmen chronischer Erkrankungen, die ihrerseits durch Entzündungen getriggert werden, ebenfalls positiv wirksam sein [2].
Kaffee und das Mikrobiom
Unter dem Mikrobiom versteht man die Gesamtheit der Mikroorganismen, mit denen wir unseren Körper teilen. So ist die bakterielle Besiedlung unserer Haut oder z.B. unseres Magen-Darm-Traktes entscheidend an unserer Gesundheit beteiligt. Man weiß heute, dass viele Erkrankungen mit einem Ungleichgewicht unserer Mikroflora assoziiert sind und dass sich diese Mikroflora durchaus durch bestimmte Maßnahmen, u.a. die Ernährung, beeinflussen lässt. Nun aber zurück zum Kaffee: Studien legen nahe, dass Kaffee positiv auf das Mikrobiom wirkt. Damit einhergehend anti-entzündliche Vorgänge, die wiederum verbunden sind mit der Senkung pro-kanzerogener Effekte und einer niedrigeren Rate fehlgefalteter Proteine (eine Fehlfaltung von Proteinen ist ursächlich für die Entstehung von Parkinson) [3]. Auch wird vermutet, dass das Mikrobiom eine entscheidende Rolle bei der biochemischen Umsetzung der Polyphenole einnimmt und damit dazu beiträgt, Antioxidantien bereit zu stellen [4].
Kaffee und Krebserkrankungen
Die pflanzlichen Stoffe im Kaffee (u.a. Diterpene, Polyphenole und Melanoide) können dazu beitragen, oxidativen Stress und oxidative Schädigungen zu reduzieren. Da oxidative Prozesse bei der Umwandlung einer normalen Zelle in eine Tumorzelle beteiligt sind, vermutet man einen positiven Einfluss von Kaffee. Tatsächlich bleibt es nicht bei der Vermutung, denn es konnte gezeigt werden, dass Kaffee in verschiedenen Abwehrmechanismen aktiv wird [5]. Diese Wirkungen entfalten sich jeweils nicht spezifisch an einem Wirkort, sondern vielmehr über den ganzen Körper verteilt. Aber es gibt auch Hinweise, dass es bei bestimmten Krebsarten auch gezielte Effekte gibt – etwa bei endometrialen Krebsarten, Brust- und Darmkrebs [6].
Kaffee und die Leber
Bei Patienten, die an einer Fettleber-Hepatitis, einer nicht-alkoholischen Fettleber und Leberfibrose leiden, lassen sich in Abhängigkeit von der konsumierten Menge Kaffee, Verbesserungen der Leberwerte beobachten (ASAT, ALAT und GGT). Verantwortlich dafür sollen vor allem die im Kaffee enthaltenen phenolischen Verbindungen sowie die Melanoide sein [7].
Kaffee und Typ 2 Diabetes
Und noch mehr gute Nachrichten: ein hoher Kaffeekonsum ist mit einem erniedrigten Risiko für Typ 2 Diabetes assoziiert. Mehr als 20 prospektive Kohortenstudien konnten diesen Zusammenhang nachweisen (Beobachtung von Kaffee- vs. Nichtkaffeetrinkern über einen vorab definierten Zeitraum mit anschließender Auswertung der vorab definierten Studienfragen) [8]. Grund dafür?! Bisher nicht ganz klar, jedoch ist bekannt, dass Koffein, Chlorogensäuren, Theophyllin und andere Bestandteile des Kaffees auf den Glucose-Stoffwechsel wirken, indem sie bestimmte Enzyme modulieren, die Insulinsekretion und -sensitivität verbessern [9, 10].
Kaffee und kardiovaskuläre Erkrankungen
Hier nun gibt es beide Seiten: Kaffee entfaltet im Hinblick auf kardiovaskuläre Erkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall) sowohl positive als auch negative Eigenschaften. Das negative Image geht auf die frühen 1960er Jahre zurück, als erstmals beobachtet wurde, dass die Prävalenz von Kaffeetrinken und kardiovaskulären Erkrankungen in den westlichen Ländern besonders hoch war [11]. Dann hat sich lange nichts getan und die Ableitung, dass Kaffee mit dem Auftreten von Herzinfarkt und Schlaganfall assoziiert ist, manifestierte sich mehr und mehr. Erst ab 2000 wurden schließlich mehrere Meta-Analysen durchgeführt, die diese Verknüpfung von Kaffeetrinken und einem erhöhten Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen nicht belegen konnten [12–14].
Dennoch werden in der Literatur neben positiven, auch negative Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System dokumentiert – steigender Blutdruck sowie erhöhte Lipidspiegel im Blut [15]. Die Kombination dieser beiden Beobachtungen führt in der Folge zu Schäden und Entzündungen an den Gefäßen, was letztlich das Risiko für Schlaganfälle und/oder Herzinfarkte erhöht. Darüber hinaus ergeben sich negative Auswirkungen infolge eines Kaffeekonsums vor allem auch dann, wenn Grunderkrankungen bestehen, z.B. bei Menschen mit bestehendem Bluthochdruck, oder bei älteren Personen.
Fazit
In den letzten Jahren kam immer mehr Bewegung in die Diskussion rund um Kaffee: während in den frühen 60er Jahren das Image eher negativ geprägt war, ist man dem Gebräu heutzutage weitaus positiver eingestellt. Das liegt auch daran, dass man inzwischen deutlich mehr zur Pharmakologie und Wirksamkeit der enthaltenen Kaffeebestandteile weiß.
Die allgemeinen Empfehlungen für gesunde (nicht schwangere) Menschen lautet nach Einschätzung von Experten, dass von Kaffee kein übermäßiges gesundheitliches Risiko ausgeht – vor allem wenn man keinen Zucker verwendet und auf Sahne oder übermäßig fettreiche Milch verzichtet (hallo, gesättigte Fettsäuren), gelten 3-5 Tassen Kaffee am Tag als unproblematisch.
Auch wenn negative Effekte nicht vollständig auszuschließen sind, ist Kaffeetrinken insgesamt aber mit mehr positiven als negativen gesundheitlichen Aspekten verknüpft. Wie immer macht die Dosis das Gift und so wird wohl keiner ernsthaft glauben können, dass man selbst nach 10 Tassen Kaffee am Tag ausschließlich positive Effekte davontragen wird. Ein gesundes Maß, wie mit allen Dingen wird wohl ein guter Kompromiss sein. Für mich hat die Recherche zu diesem Artikel am ehesten folgendes unterstrichen: Kaffee ist vor allen Dingen erstmal nicht ungesund – und das ist doch eigentlich schon mal gute Nachricht genug, oder?!
Literaturangaben:
[1] Gonzalez de Meja and Ramirez-Mares, Impact of caffeine and coffee on our health. Trends Endocrinol Metab. 2014 Oct;25(10):489-92.
[2] Martini et al., Coffee consumption and oxidative stress: a review of human intervention studies. Molecules. 2016 Jul 28;21(8).
[3] Mulak and Bonaz B. 2015. Brain–gut–microbiota axis in Parkinson’s disease. World J Gastroenterol. 2015 Oct 7;21(37):10609-20.
[4] Moco et al., Metabolomics view on gut microbiome modulation by polyphenol-rich foods. J Proteome Res. 2012 Oct 5;11(10):4781-90.
[5] Bohn et al., Coffee and cancer risk, epidemiological evidence, and molecularmechanisms. Mol Nutr Food Res. 2014 May;58(5):915-30.
[6] Grosso et al., Coffee, Caffeine, and Health Outcomes: An Umbrella Review. Annu Rev Nutr. 2017 Aug 21;37:131-156.
[7] Chen et al., Coffee and non-alcoholic fatty liver disease: brewing evidence for hepatoprotection? J Gastroenterol Hepatol. 2014 Mar;29(3):435-41.
[8] Alperet et al., A randomized placebo-controlled trial of the effect of coffee consumption on insulin sensitivity: Design and baseline characteristics of the Coffee for METabolic Health (COMETH) study. Contemp Clin Trials Commun. 2016 Aug 2;4:105-117.
[9] Muley et al., Coffee to reduce risk of type 2 diabetes?: a systematic review. Curr Diabetes Rev. 2012 May;8(3):162-8.
[10] Gökcen et al., Coffee consumption and disease correlations. Crit Rev Food Sci Nutr. 2017 Aug 30:1-13.
[11] Paul et al., A longitudinal study of coronary heart disease. Circulation 1963;28: 20–31.
[12] Sofi et al., Coffee consumption and risk of coronary heart disease: a meta-analysis. Nutr Metab Cardiovasc Dis 2007; 17: 209–223.
[13] Larsson and Orsini, Coffee consumption and risk of stroke: a dose-response meta-analysis of prospective studies. Am J Epidemiol 2011; 174: 993–1001.
[14] Mostofsky et al., Habitual coffee consumption and risk of heart failure: a dose-response meta-analysis. Circ Heart Fail 2012; 5: 401–405.
[15] Cornelis and El-Sohemy, Coffee, caffeine, and coronary heart disease. Curr Opin Lipidol. 2007 Feb;18(1):13-9.
eat | but first, coffee
liebe Sarah, danke für diesen informativen beitrag.werde jetzt meine 2 Tassen Kaffee am tag so richtig geniessen
Liebe Michaela,
na unbedingt!!
Schön, dass Du hier vorbei geschaut hast <3
Viele Grüße,
Sarah
Hi Sarah,
danke für den Artikel und deine Recherche!
Wie sieht es denn mit der vielzitierten Übersäuerung aus? Kaffee ist ja angeblich stark säurebildend und somit bei regelmäßigem Konsum ggf. trotz seiner oben beschriebenen positiven Eigenschaften insgesamt nicht so vorteilhaft für den Säure-Base-Haushalt.
Gibt’s dazu Studien?
Liebe Grüße,
Carolin
Hallo liebe Carolin,
vielen Dank für Dein Feedback und Deinen Kommentar.
Um es kurz zu machen, die ganze – ja schon fast – Hysterie um säurebildende Lebensmittel und ihre scheinbaren Auswirkungen auf den menschlichen Körper ist mitunter großer Quatsch. Der Körper kann durch bestimmte Lebensmittel oder Maßnahmen nicht derart übersäuern, als dass es gesundheitliche Auswirkungen hätte. Wäre dies der Fall, würden wir alle ganz schon in die Röhre schauen. Denn saure (Azidose) oder basische (Alkalose) Zustände werden extrem schlecht toleriert und sind mit einem schwerwiegenden Krankheitsbild verbunden. Als Ernährungswissenschaftlerin muss ich Dir das vermutlich nicht sagen, aber ich mache es der Vollständigkeit halber trotzdem mal 🙂 Unser Körper verfügt über leistungsstarke Puffersysteme (Lunge und Niere), um Schwankungen im Säure-Basenhaushalt auszugleichen. Das wird nicht mal eben durch bestimmte Lebensmittel oder Getränke gestört. Funktioniert das Puffersystem jedoch tatsächlich mal nicht mehr, geht es schon fast um Leben und Tod. Patienten mit einer echten Azidose sind hochkritische Patienten, die einer intensivmedizinischen Betreuung bedürfen.
Was ich damit sagen will: eine Ernährung, die Säuren bildet, gibt es zwar durchaus. Jedoch fängt dies unser Körper ab. Tut er es nicht mehr, können wir hier auch nicht mehr durch eine entsprechende „säuzrearme“ Ernährung entgegensteuern. Daher beeinflusst Kaffee auch nicht unseren Säure-Basen-Haushalt. Inzwischen ist sogar mit vielen Studien belegt, dass dies ein urban myth ist. Auch ist, wie gemeinhin angenommen, ein sauerer Urin kein Anzeichen für eine Übersäuerung des Körpers, vielemhr das Gegenteil: ist der Urin sauer so zeigt dies an, dass der Köroper sehr wohl in der Lage ist, die Säuren aus dem Körper zu schleusen (aber das nur am Rande).
Ich hoffe, ich konnte Dir mit dieser Antwort ein wenig weiterhelfen?!
Viele liebe Grüße,
Sarah
Daher