care | Jetzt mal Klartext, freie Radikale!

Dieser Artikel wurde zuerst am 21.09.2016 veröffentlicht, Aktualisierung 11.02.2020

Die einen lassen es ganz beiläufig und selbstverständlich fallen: Antioxidantien hier, AOX-Serum dort und überhaupt – eine Pflegeroutine ohne Antioxidantien, nicht auszudenken!! Für andere lässt das Wort Antioxidantien eher dunkle Erinnerungen an den längst verdrängten Chemieunterricht aufkommen. Doch um zu verstehen, was Antioxidantien sind, führt kein Weg an den freien Radikalen vorbei, daher: jetzt mal Klartext, freie Radikale!

Jeder von uns wird früher oder später Falten bekommen. Ich sage das völlig wertfrei, denn das ist zunächst einmal ein normaler physiologischer Prozess. Aber ganz unabhängig davon, wie wir selbst dazu stehen – embrace aging oder forever young – die Entstehung von Falten lässt sich biochemisch gesehen unter anderem auf den folgenden Mechanismus zurück führen: freie (Sauerstoff-)Radikale schädigen Zellstrukturen, schränken die Funktionsfähigkeit wichtiger Proteine ein oder beeinflussen Stoffwechselvorgänge (beispielsweise die Regeneration und die Fähigkeit zur Selbstreparatur). All‘ diese Einschränkungen können letztendlich dazu führen, dass Strukturen, die unsere Haut elastisch, straff und faltenfrei halten, angegriffen und beschädigt werden – kurzum Falten entstehen.

Falten in der Haut eines  Elefanten zur Veranschaulichung der Faltenentstehung durch freie Radikale

Was sind freie Radikale?

Freie Radikale (Oxidantien, reaktive Sauerstoffspezies) bezeichnet eine Gruppe von Atomen oder Molekülen, die sich durch ihre Reaktionsfreudigkeit und relative Instabilität auszeichnen. Das bedeutet, dass sie im Grunde immer auf der Suche nach einem Reaktionspartner sind, um diesen instabilen Zustand zu verlassen. Im Idealfall treffen sie auf Verbindungen und Moleküle, die der Körper eigens dafür bildet, freie Radikale abzufangen und unschädlich zu machen (Antioxidantien). Ist dies der Fall, geht von freien Radikalen erst mal keine größere Gefahr aus.

Woher stammen freie Radikale?

Freie Radikale tauchen ganhz natürlich in unserem Körper auf, denn sie entstehen fortwährend als Nebenprodukte unseres Stoffwechsels, u.a. bei der Energiegewinnung und Zellatmung. Der menschliche Organismus verbrennt täglich etwa 250g Sauerstoff wovon etwa 2-5% in reaktive Sauerstoffspezies umgewandelt werden:

  • Singulettsauerstoff
  • Wasserstoffperoxid
  • Superoxidanion
  • Hydroxylradikal

Die oben genannten Sauerstoffradikale zeichnen sich dadurch aus, dass sie allesamt eine höhere Reaktivität aufweisen als molekularer Sauerstoff. Während diese im Zusammenhang mit der Sauerstoffverbrennung gebildeten Radikale tagtäglich anfallen, geht die größere Belastung für unseren Organismus jedoch auf die reaktiven Sauerstoffspezies zurück, die durch extrinsische Reize gebildet werden. Allen voran UV-Strahlung [1, 2], aber auch Rauchen [3, 4], Infrarotstrahlung, Luftverschmutzung oder ein ungesunder Lebenswandel mit viel Stress, unzureichendem Schlaf, Alkoholkonsum oder der falschen Ernährung.

Luftblasen unter Wasser zur Veranschaulichung von reaktiven Sauerstoffverbindungen

Weshalb freie Radikale schädlich sind

Produziert unser Körper – z.B. in Reaktion auf äußere Reize – zu viele freie Radikale, können diese schädlich sein. Denn ist kein entsprechender Gegenspieler = Antioxidans in der Nähe oder in ausreichender Konzentration vorhanden, sucht sich das freie Radikal einen beliebigen anderen Reaktionspartner – und das kann dann zum Problem werden. Anstatt das freie Radikal kontrolliert zu entschärfen, kommt es jetzt zu relativ unvorhersehbaren Aktionen. Es wird mit dem nächstbesten Molekül reagiert, ob dieses nun will oder nicht. Oft ist dieses willkürlich ausgewählte Molekül aber im Gegensatz zu Antioxidantien einfach nicht für diese Reaktion ausgelegt und eine Schädigung oder Veränderung der Molekülstruktur ist die Folge.

Moleküle, die auf diese Art und Weise (strukturell oder funktionell) verändert wurden, verlieren oftmals ihre Wirksamkeit, können ihre eigentlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen. Für den Körper sind sie nicht mehr zu verwenden, weshalb sie über kurz oder lang abgebaut werden. Antioxidantien als Schutzmaßnahme vor freien Radikalen sind also essentiell, um Proteine, Fette, DNA und andere Zellstrukturen vor Schädigung und vorzeitigem Abbau zu schützen.

Antioxidantien: wirksam gegen freie Radikale

Unsere Haut ist bekanntermaßen eine Schutzbarriere: sie verhindert das Eindringen von Krankheitserregern und Schmutz, schützt vor Wasserverlust und sorgt dafür, dass die Zellintegrität aufrecht erhalten wird. Aber abgesehen von diesen physikalischen Barrieren und Schutzmechanismen, gibt es auch auf biochemischer Ebene noch einige weitere hilfreiche Player. So verfügt unsere Haut über eine Vielzahl enzymatischer und nicht-enzymatischer Antioxidantien, die fester Bestandteil des Abwehrsystems gegenüber freien Radikalen sind. Sie dienen der Prävention und unterstützen die Reparaturmechanismen bei bereits eingetretenen oxidativen Schäden. Grob kann man diese körper-/hauteigenen Antioxidantien in zwei Kategorien einteilen:

1. Enzymatische Antioxidantien (spezifische Proteine)

  • Glutathionreduktase
  • Glutathionperoxidasen
  • Superoxiddismutasen
  • Katalasen
  • Thioredoxinreduktase
  • Glucose-6-Phosphatdehydrogenase

2. Kleinmolekulare Antioxidantien

Lipophile / fettlösliche Antioxidatien

  • beta-Carotin (Provitamin A)
  • Vitamin E und seine Derivate
  • Geteilte Meinungen bestehen zu Vitamin A und seinen Derivaten. Manche stufen es als Antioxidans ein, andere klammern es aus.
  • Fettsäureamide

Hydrophile / wasserlösliche Antioxidantien:

Granatäpfel

Warum die Verwendung von Antioxidantien in Hautpflege Sinn macht

Solange wir jung sind, produziert unser Körper aus eigener Kraft ausreichend hohe Mengen an Antioxidantien. Doch wie viele andere biologische Prozesse auch, verliert gerade die Biosyntheserate der enzymatischen Antioxidantien mit dem Alter an Fahrt [5]. Aber auch die kleinmolekularen Antioxidantien sind nicht ganz unproblematisch, da es sich überwiegend um essentielle Vitamine handelt, die der Körper nicht selbst herstellen kann. Sie müssen also über die Nahrung aufgenommen werden oder topisch/über die Haut zugeführt werden, wenn die Haut von ihrer Pflegewirkung profitieren soll.

Die Entstehung freier Radikale lässt sich teilweise eingrenzen

Antioxidantien schützen vor freien Radikalen, schön und gut. Aber was kann man noch unternehmen, damit die kleinen Quälgeister keine Chance haben? Im Grunde hat man zwei Optionen, die man im besten Falle auch noch kombiniert:

  1. Lebensstil: gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und Zeit für Regeneration, Finger möglichst weg vom Rauchen und Alkohol nur in Maßen. Dazu muss ich wohl niemandem etwas erzählen – oft genug gehört und vermutlich hat’s auch jeder schon das ein oder andere Mal gekonnt ignoriert.
  2. Hautpflege: tägliche Verwendung eines Sonnenschutzes sowie eine Hautpflege, die reich an Antioxidantien ist.

Wirkungen von Antioxidantien in der Hautpflege

  • Wirken überwiegend prophylaktisch und präventiv, können im gewissen Rahmen aber auch bestehende Hautschäden lindern.
  • Vitamin C, Vitamin E, Niacinamid, Coenzym Q10, Melatonin und verschiedene Pflanzenwirkstoffe können bei topischer Anwendung und unter der Voraussetzung, dass die Formulierung stabil ist, über die Haut ausreichend gut absorbiert werden. Die Absorption über die Haut gilt für diese Antioxidantien als ausreichend effektiv, sodass wirksame Konzentrationen erreicht werden können, die vor UV-Strahlung und Hautalterung schützen.
  • Unterstützen den Kollagenstoffwechsel und schützen vor Kollagenabbau – somit wird die Elastizität und Spannkraft der Haut bewahrt, der Alterungsprozess wird verlangsamt.
  • Aufrechterhaltung der Zellfunktion und somit der physiologischen Aufgaben unserer Zellen.
  • Lindern Schäden, die durch UV-Strahlung entstanden sind. So kann Vitamin C beispielsweise Pigmentverschiebungen und Hyperpigmentierungen ausgleichen und mildern.

Was können Antioxidantien nicht?

Oft liest man, Antioxidantien wirken gegen Falten. Ich wäre mit solchen Aussagen vorsichtig und würde das immer differenziert betrachten. Wer bewusst zu einer Pflege greift, die Antioxidantien enthält wird grundsätzlich nichts falsch machen, denn Antioxidantien haben eine präventive Wirkung gegenüber Hautalterung – das Stichwort hier ist Prophylaxe!

Bereits bestehende Hautschäden, können in einem gewissen Rahmen gemildert werden, ganz los wird man sie aber nicht. Dennoch berichten viele immer wieder, dass Falten bzw. eher leichte Fältchen, durch die Verwendung eines Pflegeproduktes mit Antioxidantien verschwunden sind.  In Wahrheit ist es aber oft schwer, die Wirkung der antioxidativen Inhaltsstoffe von denen der meist zusätzlich beigefügten Moisturizer, Exfolianzien oder Okklusiva zu trennen. Denn alle der drei letztgenannten können Fältchen, die oft auch auf einem Feuchtigkeitsmangel der Hornschicht (Stratum Corneum) basieren, innerhalb kurzer Zeit deutlich bessern. Für eine nachhaltige Wirkung auf die Kollagensynthese muss man jedoch deutlich mehr Zeit mitbringen und die Verwendung von Antioxidantien vielleicht auch eher als Präventivmaßnahme sehen.

Gibt es bedenkliche Antioxidantien?

Antioxidantien werden nicht nur zum Schutz der Haut vor freien Radikalen eingesetzt, sondern auch zum Schutz kosmetischer Zubereitungen. Denn auch die Inhaltsstoffe in Cremes, Seren und Co. können durch Radikale angegriffen und so unwirksam werden. Um das zu vermeiden, setzen viele Hersteller auf Verpackungen, die Sauerstoff und UV-Strahlung ausschließen – Airless-Spender statt Tiegel und lichtundurchlässige Behältnisse, statt klarer und farbloser Glasfläschchen.

Alternativ können auch (synthetische) Antioxidantien verwendet werden, die in den jeweils eingesetzten Konzentrationen weniger die Haut vor Oxidation schützen sollen, sondern vielmehr die Formulierung stabilisieren. Das ist alles sehr praktisch, denn wer will schon eine Creme verwenden, deren aktive Inhaltsstoffe unwirksam sind?! Finden sich Vitamin C und Vitamin E beispielsweise weit hinten auf der Inhaltsstoffliste, so kann man davon ausgehen, dass sie weniger die Haut, als vielmehr die Formulierung vor oxidativen Schäden schützen.

Doch es gibt auch andere Antioxidantien, die recht eindeutig nur zum Schutz der Formulierungen eingesetzt werden. Einige dieser synthetischen Antioxidantien sind bekannte Kontaktallergene. Wer also sensible Haut hat, sollte folgende Antioxidantien auf dem Schirm haben:

  • Butylhydroxyanisol (BHA)
  • Butylhydroxytoluen (BHT)
  • Hydrochinonmonomethylester
  • bedingt: Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA)

Literaturangaben

[1] Brenneisen P et al. Central role of Ferrous/Ferric iron in the ultraviolet B irradiation-mediated signaling pathway leading to increased interstitial collagenase (matrix-degrading metalloprotease (MMP)-1) and stromelysin-1 (MMP-3) mRNA levels in cultured human dermal fibroblasts. J Biol Chem. 1998 Feb 27;273(9):5279-87.

[2] Fischer GJ et al., Pathophysiology of premature skin aging induced by ultraviolet light. N Engl J Med. 1997 Nov 13;337(20):1419-28.

[3] Frances C, Smoker’s wrinkles: epidemiological and pathogenic considerations. Clin Dermatol. 1998 Sep-Oct;16(5):565-70.

[4] Lahmann C et al., Matrix metalloproteinase-1 and skin ageing in smokers. Lancet. 2001 Mar 24;357(9260):935-6.

[5] Rhie G et al., Aging- and Photoaging-dependent changes of enzymatic and nonenzymatic antioxidants in the epidermis and dermis of human skin in vivo. J Invest dermatol 118:1212-1217.

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