Wir laufen zum Bäcker oder in die Stadt, treffen uns mit Freunden und spazieren durch den Park, der ein oder andere läuft auch mal einer Bahn hinterher (obwohl… Bahnen und Männern, sollte man nie hinterher rennen), kurzum Laufen ist eine Selbstverständlichkeit. Die meisten von uns müssen zum Glück nicht darüber nachdenken, was man macht, wenn ein Aufzug nicht funktioniert oder die Rolltreppe wieder mal wegen Reparaturarbeiten stillsteht.
Wie einschränkend es tatsächlich sein kann, wenn man nicht richtig laufen kann, habe ich vor drei Jahren selbst erlebt. Mit einem gebrochenen Knöchel und zwei gerissenen Bändern wird jede noch so kleine Treppe plötzlich zur Herausforderung. Man überlegt sich zweimal, ob man die Eier zum Frühstück nun wirklich noch braucht oder sich den Weg zum Supermarkt doch eher spart. Wenn die Freunde am Wochenende auf eine Party gehen, bleibt man lieber zu Hause und legt das Bein hoch. Ziemlich angehängt kommt man sich da vor. Obwohl man weiß, dass man nach spätestens 8 Wochen aus dem Gröbsten raus ist und es nur eine Frage der Zeit ist, sitzt man missmutig auf dem Sofa und jammert.
Wie froh ich war, als ich endlich meine Krücken, die Schiene und die Schmerzmittel los war, könnt ihr euch sicher vorstellen. Und doch hatte das Ganze auch eine positive Seite. Der Reminder es nicht automatisch als selbstverständlich anzunehmen, dass alles so funktioniert, wie es eben funktioniert und unser Körper dabei beeindruckende Dinge vollbringt. Beispiele gefällig?!
- Unsere Nieren filtern pro Tag das Äquivalent von ca. 120 Litern Flüssigkeit, das ist eine halbe Bandewanne voll!
- Jeden Tag ist unsere DNA tausenden von Mutationen ausgesetzt, ohne Enzyme die in Sekundenschnelle diese Mutationen erkennen und wieder reparieren, hätten wir ein großes Problem.
- Mehr als 210 verschiedene Zelltypen gibt es im Körper, die wie kleine Fabriken ihren Aufgaben nachkommen: Hautzellen produzieren Melanin, das uns vor UV Strahlung schützt. Leberzellen bauen den Alkohol ab, den wir uns am Wochenende vielleicht auch mal zu viel genehmigen. Nervenzellen übermitteln die Informationen darüber, wenn wir uns beim Kochen in den Finger schneiden. Immunzellen schützen uns vor Bakterien und Viren,… ach ich könnte ewig so weiter machen.
- Unser Herz schlägt im Schnitt 100000-mal pro Tag und pumpt dabei bis zu 10.000 Liter Blut durch unsere Blutgefäße.
- Die Leber produziert ca. 500 ml Gallenflüssigkeit zur Verdauung und Ausscheidung von Fetten und schwer wasserlöslichen Substanzen.
- Und nicht zuletzt tragen unsere Beine uns pro Tag im Schnitt 8000-10000 Schritte weit (natürlich je nach persönlichem Aktivitätslevel), das sind im Jahr fast 2000 km.
Wenn man sich das so vor Augen führt, wird einem erst klar, was unser Körper alles leistet, ohne dass wir aktiv etwas dafür tun müssen. Einen Fuß vor den anderen zu setzen ist – spätestens seit wir mit knapp einem Jahr die ersten Schritte wagten – nur noch eine beiläufige Aktivität, über die wir nicht mehr viel nachdenken müssen. Doch Rückenmarksverletzungen können das Gehen von einer Selbstverständlichkeit zu einem Problem machen.
Querschnittslähmungen zu heilen ist das Ziel der Stiftung „Wings for Life“. Mit Hilfe von Spendengeldern fördert die Stiftung weltweit Forschungsprojekte und klinische Studien zur Heilung des verletzten Rückenmarks. Da Querschnittslähmungen nicht zu den sogenannten Volkskrankheiten zählen, basiert der Fortschritt in der Rückenmarksforschung bis heute stark auf privaten Initiativen. Millionenschwere Investitionen für eine vergleichsweise kleine Gruppe an Betroffenen, erweckt leider nicht das Interesse der großen Life Science und Pharmaunternehmen.
Was allerdings Interesse und Aufmerksamkeit weckt, ist der jährliche Wings for Life World Run. Hier laufen die Teilnehmer für diejenigen, die nicht laufen können. 100% der Startgelder fließen in Forschungsprojekte und klinische Studien zur Heilung von Querschnittslähmung. Das Beste bei diesem Lauf ist, dass wirklich jeder mitlaufen kann. Weltweit, zeitgleich und mit beweglicher Ziellinie starteten am 7. Mai 2017 um 11:00 UTC (13h in München) ca. 155000 Läufer um gemeinsam etwas Gutes zu tun. Wie weit man bei diesem Lauf kommt, entscheidet die eigene Geschwindigkeit beim Laufen – ob schnell oder langsam, ganz egal. Die persönliche Finishline wird durch das Catcher Car bestimmt, das 30 min nach dem Start seine Fahrt aufnimmt und die Läufer nach und nach einfängt. Sobald man vom Catcher Car überholt wurde, ist das Rennen beendet.
Für mich war es dieses Jahr mein zweiter Wings for Life Run. Nachdem es letztes Jahr unglaublich heiß war, erwarteten uns heuer kühle Temperaturen und Regen. Bis auf den Regen, waren die Bedingungen perfekt. Der Tag startete mit einem Läuferfrühstück bei Sophia – vom klassischen Marmeladenbrötchen bis hin zu Birchermüsli, hatte sie für alles gesorgt, damit wir unsere Reserven für den Lauf optimal füllen konnten.
11 Uhr – noch drei Stunden bis zum Start, so langsam machte sich eine angenehme Aufgeregtheit bemerkbar. Gemeinsam mit Linda, Eileen, Daniel und unserem Supporter-Team machten wir uns auf den Weg in den Olympiapark. Die Zeit bis zum Start verging wie im Flug, ein paar Fotos wurden geschossen, man stellte sich noch mal in die Schlange vor den WCs und dann ging es auch schon in die Startaufstellung. Ich hatte einen Platz im zweiten Startblock, gesellte mich aber zu den anderen, damit wir nach Möglichkeit zusammen laufen konnten. Als der Startschuss fiel, ging es in sehr langsamen Tempo, teils gehend die ersten 2 Kilometer durch den Olympiapark. Leider verloren Daniel und ich den Rest der Gruppe bereits relativ früh. Immer wieder drehte ich mich um, konnte die drei Mädels inmitten des Gewusels aber nie entdecken. Bis Kilometer 5 liefen wir also ein relativ entspanntes Tempo, immer in der Hoffnung, den Rest der Gruppe doch noch wieder zu finden. Irgendwann war aber klar, dass das wohl nichts mehr werden würde und so zogen wir ab Kilometer 7 das Tempo ein wenig an. Zwischenzeitlich verwandelte sich der leichte Nieselregen in einen Starkregen, was die Wege teilweise extrem matschig und glatt werden ließ.
Ein Blick auf die Uhr nach 1:05h und ca. 10 km sagte mir, dass das Catcher Car nun nur wenige Minuten hinter uns sein müsste. Kurze Absprache mit Daniel und wir zogen das Tempo ein wenig an um noch ein paar Meter gut zu machen. Ich wollte von Anfang an nicht mehr als 15 km laufen, da ich in einer Woche meinen Halbmarathon laufe. Als mich das Auto bei 12,8 km dann eingeholt hatte, war ich trotzdem nicht ganz zufrieden mit meinem Trainingslauf. Aber alles halb so wild, denn das Tolle war letztendlich, dass Daniel ohne nenneswerte Vorbereitung mal eben so eine Strecke zurück gelegt hat.
Mit dem Shuttle ging es zurück in den Olympiapark, wo die anderen bereits auf uns mit einer Wahnsinnsnachricht auf uns warteten: Eileen hatte es geschafft, ihre ersten 10 km überhaupt zu laufen!! Was für eine tolle Leistung, wir waren alle mächtig stolz auf sie.
Auch dieses Jahr war der Wings for Life Run ein Event, bei dem die Läufer über sich hinaus gewachsen sind. 155.288 Läufer waren weltweit in 58 verschiedenen Ländern am Start, gemeinsam sind wir über 1.000.000 km weit gelaufen, mehr als 6,5 Millionen Euro wurden gesammelt, die nun direkt in die Rückenmarksforschung fließen.
Am 6. Mai 2018 geht der Lauf in die nächste Runde, bereits jetzt kann man sich wieder vorab anmelden. Ich bin auf jeden Fall wieder in München mit dabei. Wer noch?!
train | wings for life
wäre so gerne mit dir zusammen gelaufen <3
Alles Liebe, Feli von http://www.felinipralini.de
Danke dir für den Bericht! Ich will auch schon länger mitmachen, es hat zeitlich aber nie gepasst 🙁 Weißt du, wo das 2018 in DE stattfindet? Dazu habe ich irgendwie noch nichts gefunden…
Und hey, knapp 13km sind doch auch nicht schlecht! Viel Glück bei deinem nächsten Lauf
LG Valandriel
Hallo Liebes,
der Lauf wird wieder in München stattfinden, aber mit der WFL Running App kannst Du am 08.05.18 im Grunde von überall auf der Welt mitlaufen und Teil der Bewegung sein 🙂 Das wäre also immer eine alternative Option.
Liebste Grüße,
Sarah
Liebe Sarah, sehr gut geschrieben und spricht mir gerade aus dem Herzen, da ich am Montag an einer Fortbildung zu Barrierefreiheit in der Stadtplanung teilnehmen durfte. Wir haben Spaziergänge gemeinsam mit Blinden, Gehörlosen und Rollstuhlfahrern in Rollstühlen, mit Kopfhörern und Augenbinde gemacht. Eine sehr lehrreiche Erfahrung mit Nachwirkung. Beste Grüße Sabine
<3 Danke, Sabine für Dein Feedback und das Teilen Deiner persönlichen Erfahrung – soetwas öffnet Augen… im wahrsten Sinne des Wortes <3