Berge, eine schneebedeckte Landschaft, eisblauer Himmel – in meinen Augen der perfekte Wintertag, es könnte so schön sein. Aber gleichzeitig sind da auch: -14°C und 15 Hindernisse auf 2,5 Kilometern. Herzlich willkommen beim ersten Red Bull All in an der Heini-Klopfer-Skiflugschanze in Oberstdorf! [WERBUNG | da Markennennung]
Als Linda uns Mitte September von dem Hindernislauf erzählte, erschien die Aussicht auf ein Event dieser Art in Anbetracht der spätsommerlichen Temperaturen weitweitweit entfernt. Doch die Wochen gingen ins Land und während wir uns auf den Lauf vorbereiteten (Outdoor Workouts, Lauf- und Krafttraining), wurde uns immer klarer: das wird kein Sonntagsspaziergang. Spätestens in der Woche vor dem All in war die Nervosität greifbar, den Höhepunkt erreichten wir am Abend vorher, als wir die ersten Bilder von der Strecke zu sehen bekamen.
Am Samstag war es soweit: 500 Teilnehmer stellten sich aufgeteilt in Frauen und Männer den ersten Heats. Im Abstand von 15 min starteten die Gruppen auf den Kurs. Es galt nicht nur möglichst schnell zu sein, sondern auch die Hindernisse bestmöglich zu absolvieren. Wurde ein Hindernis nicht überwunden, gab es Strafrunden – mit Ausnahme des letzten Hindernisses „All in or nothing“. Denn wurde das nicht geschafft hieß es leider: DNF (did not finish). Dennoch konnte sich ein Teil der Läufer für die nächste Runde qualifizieren, auch wenn man am letzten Hindernis scheiterte – nur schnell genug musste man sein. Aber hat man erst die Ziellinie überschritten, fragt man sich ernsthaft, ob man sich diese Quälerei tatsächlich noch ein 2. oder 3. Mal antun will. Aber ich will nicht vorweggreifen.
Für Laura, Linda und mich ging es um 11h in den ersten Lauf. Noch ein kurzes Warmup und dann fiel auch schon der Startschuss. Bergab ging es auf das erste Hindernis zu – eine Holzwand, mit der ich direkt mal zu kämpfen hatte. Oben angekommen war ich mir meiner Sache schon so sicher, als ich ins Straucheln kam und fast wieder rückwärts von der Wand gefallen wäre. Musste so lachen, aber wirklich Gelegenheit, meinen Slap Stick zu würdigen blieb nicht. Als nächstes galt es die Stufen der Stadionstribühne zu meistern. Mit jeder Stufe, wurde das Hindernis ein wenig höher. Die letzte Stufe war ca. 2 m hoch und schier unüberwindbar. Zwar war es nicht erlaubt sich zu helfen, aber die Marshalls drückten wohl einzweidrei Augen zu, als ich Linda kurzerhand eine Räuberleiter gab und mich Laura und Linda anschließend die Mauer hochzogen 😉 Weiter den Berg hoch – wow, verdammt anstrengend das im Schnee zu machen – und ab zum Eisbach. So kalt und schlimm wie befürchtet war es nicht mal. Zwar sind die Schuhe und Hose anschließend maximal nass, die Füße kalt, aber eigentlich war man so darauf konzentriert nicht zu fallen, dass das total in den Hintergrund rückte.
Kaum war man aus dem Bach raus, ging es auch schon wieder eine kleine, aber recht steile Anhöhe hinauf. Zur Hilfe kamen an Jeeps befestigte Seile, an denen man sich hochziehen konnte. Schlag auf Schlag ging es weiter und so war das nächste Hindernis gleich ums Eck: man musste einen von 3 farblich markierten Balken treffen, das wird für ein späteres Hindernis noch relevant. Ich weiß nicht wie viele Würfe ich brauchte, bis sich das Seil endlich um den roten Balken wickelte, aber es zeigte mir mal wieder deutlich: Wurf- und Ballsportarten sind einfach nicht meins. Aber immerhin konnte man kurz Luft holen, denn das brauchte man für die nächste Station definitiv. Erst zwei Sandsäcke à 25 kg tragen, diese dann an einem Yoke befestigen und weiter tragen. Schwingende Gewichte und dazu der Yoke auf den Schultern – in Summe bewegte ich mehr als mein eigenes Körpergewicht. Tatsächlich habe ich mich auf den letzten Metern nur durch gutes Zureden (mind over matter!) irgendwie vom Fleck bewegen können.
Mit schwankendem Schritt und noch etwas weggetreten ging es zu einem Hindernis, das wir innerlich schon abgehakt hatten. Sich schwingend und hangelnd fortzubewegen, lag bis dato außerhalb meines Trainingsumfangs, daher ging es ohne viel Umweg direkt auf eine Strafrunde. Nochmal die Beine lockern und dann die Skisprungschanze hinauf – „endless stairs“ war genau der richtige Name. Ein Schritt nach dem anderen, irgendwann geht auch das vorbei. Oben angekommen noch schnell den Schanzentisch erklimmen und weiter zur nächsten Hangelübung aka Strafrunde.
Bevor es den Berg wieder runter ging, galt es sich eine Kombination zu merken – bei mir war es die rote Kombination, nachdem ich am Hindernis zuvor den roten Balken getroffen hatte. Den Weg bergab verbrachte ich also damit nicht zu stürzen und mir immer wieder aufzuzählen: rund, rund, eckig, lang. Noch kurz einen Maibaum hockkraxeln (hat tatsächlich gut geklappt), wurde die verinnerlichte Kombination fällig. Zwei Baumstümpfe, einen Stein und ein langes Holz von A nach B tragen, in der richtigen Reihenfolge aufbauen und das ganze retoure. Das Ziel fest im Blick, noch über einen Holzstapel, wartete noch das „All in or nothing“ Hindernis – 36 m hangeln, springen, hängen. Respekt an alle, die das auch nur ansatzweise geschafft haben. Für mich war hier nichts zu holen, nur die Erkenntnis, dass ich fürs kommende Training einen neuen Fokus setzen werde: Klimmzüge, Hangeln und mehr Armkraft. Die letzten Schritte bis hinter die Ziellinie waren dann nochmal ein Highlight. Aus, vorbei, geschafft und dann Linda und Laura, die mich in Empfang nahmen. Wie verrückt redeten wir aufeinander ein „Glaubst Du das, wie heftig war das?!“, „Hast Du eigentlich das Hindernis geschafft?!“, „Das war so schlimm, ich dachte ich schaff es nicht!“.
Ganz beseelt und voller Endorphine ging es zurück ins Warme: Tee, trockene Klamotten, Essen und die Gewissheit es geschafft zu haben – herrlich. Doch als die Ergebnisse der Läufe kamen und es klar war, dass wir uns für die nächste Runde qualifiziert hatten, wusste keiner so recht, ob man lachen oder weinen sollte. Tatsächlich haben wir eine zweite Runde bis kurz vor Start rigoros abgelehnt. Doch je näher das Halbfinale kam, desto mehr kam auch der Ehrgeiz zurück. Nicht dass ich ernsthaft mit einer Platzierung gerechnet hätte, aber wenn man schon mal da ist… wir wollten es einfach durchziehen.
Gemeinsam mit Linda – alleine hätte ich es wohl nicht gemacht, danke Lindi – stehen wir erneut an der Startlinie und diesmal weiß ich, was auf mich zukommt. Ob es das jetzt besser oder schlechter macht, es hilft nichts: All in!! Tatsächlich waren wir auf der zweiten Runde sogar schneller als beim ersten Mal, doch auch diesmal kam ich um einen Slap Stick nicht herum. Was beim ersten Mal so gut klappte, ging ich in der zweiten Runde entsprechend selbstbewusst an: den Maibaum. Doch kaum einen Fuß angesetzt plumpste ich wie ein (Mai)Käfer vom Stamm und landete auf dem Rücken. Mich hat es vor Lachen fast zerlegt, mein persönliches Hindernis Nr. 16, ein Bild für Götter.
Kurz nach dem zweiten Zieleinlauf des Tages nun aber wirklich die Erleichterung: es war geschafft. Das Finale würde für mich definitiv nicht mehr stattfinden, so viel war sicher. Und überhaupt: so was mache ich nie mehr, also nee, zumindest nicht heute oder in den nächsten Monaten… wer weiß, frag mich nochmal im Sommer… Red Bull All in?! Ja klar, nächstes Jahr wieder dabei!!
Fotos: Pirmin Bartholomae
train | all in or nothing
Liebe Sarah!
Beachtliche Leistung, die ihr gezeigt habt!!! Herzlichen Glückwunsch zur tollen Zeit! Wie schön, dass ihr das so toll gemeistert habt!!!
Liebe Grüße Elisabeth
Danke liebe Elisabeth!!!
War wirklich eine sehr besondere Herausforderung… irgendwie habe ich Blut geleckt und deshalb plane ich schon die nächste Aktion 😀
Liebste Grüße und Dir ganz wundervolle Weihnachten,
Sarah
Hallo Sarah,
herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung! Das ist bestimmt ein unvergesslicher Lauf gewesen. Die Fotos sind toll geworden, das zweite von unten gefällt mir besonders gut. Dass einen dann irgendwann der Ehrgeiz packt und man doch noch Runde 2 mitmacht, glaube ich nur zu gerne – ohne einen gewissen Ehrgeiz geht es auch im Berufsleben schließlich nicht 😉
Ich hoffe es klingt jetzt nicht blöd zu fragen, ob es viele Verletzte gab? Bei so einem Kurs und den Minusgraden wird der Körper bestimmt ganz schön beansprucht… Aber Verletzungen gibt es natürlich bei allen Läufen bzw. allen Sportveranstaltungen.
Liebe Grüße,
Verena
Hallo liebe Verena,
aawwww, danke Dir!! Ja, ich glaube, diesen Lauf werde ich so schnell nicht vergessen – war schon wirklich was Besonderes.
Tatsächlich finde ich Deine Frage durchaus berechtigt und auch ich hab sie mir gestellt. Doch meines Wissens gab es keine Verletzten – mal von ein paar Blessuren und blauen Flecken abgesehen 😉 An der Strecke standen Sanitäter, die im Zweifel schnell vor Ort gewesen wären. Ich glaube mit ein Grund, weshalb es alle recht gut überstanden haben, ist die Tatsache, dass die meisten doch auch regelmäßig Sport betreiben und daher über eine ganz gute Konstitution verfügen, ihren Körper gut einschätzen können und ihre Grenzen kennen. Bis auf 1 oder 2 Ausnahmen, würde ich sagen, dass die meisten Teilnehmer entweder ambitionierte Hobbysportler waren oder sogar OCR-Profis. Wirklich „nur zum Spaß und mal zum gucken“ würde sich das sicher keiner antun.
Ich wünsche Dir ganz wundervolle Feiertage und einen schönen Jahreswechsel <3
Bis ganz bald wieder und liebste Grüße,
Sarah