[Dieser Beitrag wurde erstmalig am 28.09.2016 veröffentlicht und am 14.06.2022 aktualisiert]
Octocrylene in Sonnencreme – zurecht schlechter Ruf oder unnötige Panik? Zunehmend finden sich Hinweise zu einem Verzicht von Octocrylene in Sonnenschutzprodukten. Besonders bei empfindlicher oder sensibler Haut sowie in vielen Produkten für Babys wird Octocrylene immer öfter ausgeklammert.
Schon seit 2012 untersucht die europäische Chemikalienagentur (ECHA) Octocrylene im Rahmen eines Stoffbewertungsprozesses auf seine potenzielle Toxizität. Knapp 10 Jahre später stehen die Ergebnisse noch immer aus. Hersteller von Sonnenschutzprodukten haben längst reagiert und so wird Octocrylene bei der Entwicklung neuer Sonnencremes inzwischen vielfach bewusst ausgeschlossen. Auch der Verzicht auf Octocrylene wird immer häufiger auf Sonnencremes ausgelobt.
Die wichtigsten Informationen zu Octocrylene (und ob es wirklich krebserregend ist) kurz und knapp in nachfolgendem Beitrag zusammengefasst!
Kategorie
UV-Filter (chemisch)
Chemische Bezeichnung
2-Ethylhexyl 2-cyano-3,3-diphenylprop-2-enoate
INCI und alternative Namen
Octocrylene (INCI), Octrocrilen, 2-Ethylhexyl-2-cyano-3,3-diphenylacrylat
Wirkung von Octocrylene
- absorbiert vor allem sonnenbrandverursachende UVB-Strahlung [1]
- wirkt zu geringen Anteilen im kurzwelligen Bereich der UVA-Strahlung (UVAII) [1]
- erhöht die Photostabilität von UVA-Filtern (z.B. Avobenzone), die der strahlungsbedingten Hautalterung entgegenwirken
- unterdrückt in Sonnenschutzprodukten die Rekristallisation anderer UV-Filter und agiert als Lösungsvermittler
- schützt Hautpflegeprodukte vor Photodegradation (Abbau der Inhaltsstoffe durch Sonneneinstrahlung) und verlängert so die Haltbarkeit
Einsatzkonzentration von Octocrylene
In Europa beträgt die maximal zulässige Höchstkonzentration von Octocrylene in Sonnenschutzprodukten 10 %. Im Jahr 2018 enthielten 37 % der weltweit auf den Markt gebrachten Sonnenschutzprodukte den UV-Filter Octocrylene. [2]
Formulierung von Octocrylene
Octocrylene ist eine zähflüssige, klar-gelbe Flüssigkeit, die sich sehr schlecht in Wasser, dafür gut in Fetten löst. Octocrylene stabilisiert andere UV-Filter und bringt diese In Lösung, aus dem Grund ist es ein wichtiger Co-Faktor bei der Formulierung vieler Sonnencremes [3].
Bedenklichkeit von Octocrylene
Wissenschaftlich Untersuchungen, regulatorische Maßnahmen (Stoffbewertungsverfahren), aber auch die öffentliche Wahrnehmung haben Octocrylene ins Rampenlicht gebracht. Leider nicht aufgrund positiver Nachrichten, sondern weil Octocrylene für folgende kritische Eigenschaften im Verdacht steht:
- photosenisbilisierend = regiert unter Lichteinwirkung reizend
- allergisierend = löst Allergien aus
- endokriner Disruptor = Einfluss auf hormonelle Prozesse
- bioakkumulierbar = reichert sich in der Umwelt und Organismen an
- (sehr) persistent = schwer abbaubar
Zudem wurde Octocrylene bereits in Muttermilch und in Fischen [4, 5] nachgewiesen. Aufgrund zusätzlicher ökotoxikologisch relevanter Daten wurde die CLP-Einstufung (Regulation on Classification, Labelling and Packaging of Substances and Mixtures) für Octocrylene bereits von „aquatisch chronisch 4“ zu „aquatisch chronisch 1“ geändert, da es sich nachteilig auf die aquatische Umwelt auswirkt.
All diese Punkte haben letztlich dazu geführt, dass Octocrylene derzeit auf europäischer Ebene eingehend untersucht wird. Die Bewertung einer etwaigen Unbedenklichkeit, sowie die Ermittlung entsprechender Grenzwerte sind Gegenstand laufender Studien. Bis dahin hat Octocrylene in Europa für die Verwendung in kosmetischen Produkten eine Zulassung für Einsatzkonzentrationen bis 10 %.
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Good to know
Auch wenn Octocrylene in der Vergangenheit als relativ sicher und reizarm bewertet wurde, mehren sich in den letzten Jahren die Berichte und medizinischen Fallstudien, die ein allergisierendes und gesundheitsschädliches Potential von Octocrylene dokumentieren. Zwar gibt es bisher keine systematischen Studien, die Octocrylene in Allergie Patch-Tests untersucht haben, jedoch gibt es zahlreiche Ärztinnen und Ärzte, die Patientinnen und Patienten mit bekannter „Sonnenallergie“-Vorgeschichte in Bezug auf Octocrylene untersucht und positive allergische Reaktionen dokumentiert haben [2]. Dabei gilt es Kontakt- und Photokontaktallergien zu unterscheiden. Bei ersterer reagiert die Haut nach Kontakt mit Octocrylene sofort mit einer allergischen Reaktion, während bei zweiterer UV-Strahlung und die damit verbundene chemische Umwandlung von Octocrylene nötig ist. 80% aller Reaktionen, die im Zusammenhang mit Octocrylene auftreten, werden den Photoallergien zugeschrieben [6].
Ist Octocrylene in Sonnencremes krebserregend?
Ende 2021 wurde eine Studie inzwischen vielzitierte Studie veröffentlicht, die den Gehalt von Benzophenon in Octocrylene-haltigen Sonnencremes untersuchte. [7] Weshalb das relevant ist? Octocrylene wandelt sich unter bestimmten Bedingungen zu Benzophenon um, ein potenziell mutagener, karzinogener und endokrin disruptiver Stoff.
Unter Laborbedingungen konnten die Forscher zeigen, dass 16 Octocrylene-haltige Sonnencremes nach einer Lagerung von 6 Wochen bei 40°C einen Anstieg der Benzophenonwerte von 14,5-199,4 % zeigten, was Konzentrationen von 75-435 ppm (parts per million) entspricht. Aus diesem Grund schlussfolgern und extrapolieren die Forschenden, dass Sonnencreme mit Octocrylene nach ca. einem Jahr ähnliche Mengen an Benzophenon aufweist. Ergo die Empfehlung: Sonnencreme mit Octocrylene nicht länger als 1 Jahr verwenden.
Zusammengenommen mit dem aktuell laufenden Stoffbewertungsverfahren und den Ergebnissen dieser Studie scheint das Fazit zu sein: lieber Vorsicht als Nachsicht – und so wird Octocrylene von Verbraucher:innen wie Expert:innen inzwischen sehr kritisch beäugt.
Doch gleichzeitig hat die Studie [7] ein paar Schwächen:
- 6 Wochen bei 40°C sind Laborbedingungen. Es ist nicht gesagt, dass eine korrekt gelagerte (kühl, dunkel, trocken) Octocrylene-haltige Sonnencreme im gleichen Maße nach einem Jahr Benzophenon akkumuliert.
- Die Evidenz, dass Benzophenon mutagen, karzinogen und endokrin disruptiv agiert, stammt hauptsächlich aus in vitro Studien oder Tierstudien. Für den Menschen gibt es keine Daten.
- Die Mengen an entstehendem Benzophenon bewegen sich nicht in einem Bereich, der als bedenklich gilt. Selbst wenn man eine 1 Jahr alte Sonnencreme mit Octocrylene grammweise essen würde, wäre die Menge an Benzophenon noch unterhalb der zulässigen Höchstkonzentration.
Das soll nicht heißen, dass Octocrylene nicht genauerer Betrachtung bedarf. Es soll nur aufzeigen: für Panik gibt es keinen Grund, wohl aber für kritische Nachfragen und Untersuchungen.
Dreamteam
Für sich allein gesehen ist Octocrylene kein besonders effektiver UV-Filter, daher wird er für gewöhnlich mit anderen UVB-Filtern kombiniert (v. a. Cinnamaten [3]), um den Lichtschutzfaktor eines Produktes zu erhöhen. Octocrylene wird häufig mit photo-instabilen UV-Filtern formuliert, um deren Stabilität zu erhöhen. Das gilt vor allem für den weit verbreiteten UVA-Filter Avobenzone, der nach Sonneneinstrahlung starken Zersetzungsprozessen ausgesetzt ist und somit seine photoprotektiven Eigenschaften (Sonnenschutz) verliert.
Literaturangaben
[1] Burnett ME et al., Sunscreens: obtaining adequate photoprotection. Dermatol Ther. 2012 May-Jun;25(3):244-51.
[2] Sohn M et al., Möglichkeiten zur Bewältigung der neuen Herausforderungen im Sonnenschutz. SOFW Journal 7+8/20 | 146. Jahrgang | Thannhausen, 31. Juli 2020
[3] Palm MD et al., Update on photoprotection. Dermatol Ther 2007: 20:360–376.
[4] Blüthgen et al., Accumulation and effects of the UV-filter octocrylene in adult and embryonic zebrafish (Danio rerio). Sci Total Environ. 2014 Apr 1; 467-477:207-17.
[5] Zhang QY et al., Assessment of multiple hormone activities of a UV-filter (octocrylene) in zebrafish (Danio rerio). Chemosphere. 2016 Sep; 159:433-41.
[6] Avenel-Audran M et al., Octocrylene, an emerging photoallergen. Arch Dermatol. 2010 Jul;146(7):753-7.
[7] Downs CA et al., Benzophenone Accumulates over Time from the Degradation of Octocrylene in Commercial Sunscreen Products. Chem Res Toxicol. 2021 Apr 19;34(4):1046-1054.
care | understanding skincare
Danke für die gute Information. Würdest du sagen, dass es sinnvoll ist tagsüber in unseren Breitengraden Gesichtscreme mit UV Schutz zu tragen? Oder ist das eine unnötige Belastung und u.U. sogar kontraproduktiv?
Sehr gerne!! Danke für Dein Feedback.
UV-Strahlung ist und bleibt die Nummer Eins, wenn es um Hautalterung und Krebsentstehung geht. Ich trage Sommer wie Winter seit Jahren UV-Schutz… Sehe die Hysterie bezüglich der hormonellen Wirkung mancher UV-Filter kritisch. Die Mengen, die bei Erwachenen nötig wären, um eine hormonelle Wirkung zu erzielen, kann man kaum erreichen, wenn man sich normal eincremt. Als unnötige Belastung würde ich die Verwendung eines UV-Schutzes daher niemals bezeichnen 🙂 Zumal man auch andere Filter wählen kann, die nicht im Verdacht stehen, hormonell zu wirken.
Vermutlich auch durch meinen wissenschaftlichen Hintergrund geprägt, empfehle ich jedem einen entsprechenden Sonnenschutz. UV-Strahlung verursacht an unserer DNA pro Sekunde tausende von Schäden… Nicht auszudenken, was unsere kleinen Zellen da täglich leisten müssen, nur weil wir uns ohne Schutz in die Sonne packen 😉
Liebste Grüße,
Sarah
Ok, spannend. Ich wusste nicht einmal, dass es außer mineralischen Filtern wie z.B. in Bio Kosmetik noch andere Alternativen gibt. Kannst du etwas empfehlen? Dann suche ich entsprechend mal. Vielen Dank. Ich freue mich schon auf deine nächsten Beiträge.
LG,
Danilo
Hey Danilo,
das freut mich ja, wenn ich Dir da was Neues erzählen konnte 🙂
Mineralische Filter sind an sich eine gute Sache, haben aber oft den Nachteil, dass sie einen weißen Film hinterlassen. Bei dem Daylong Ultra Face SPF 25, war das jedoch kaum der Fall, den mochte ich immer sehr gerne. Ansonsten ist ein günstiger Sonnenschutz mit ganz guten chemischen Filtern bei Rossmann erhältlich (https://www.rossmann.de/produkte/sunozon-pure-skin/sonnengel/4305615458243.html#). Zu diesem kann ich Dir leider keinen persönlichen Erfahrungsbericht liefern, da ich momentan viele Sonnenschutzprodukte aufbrauche, die ich aus Bangkok mitgebracht habe… Aber was ich bisher gehört habe, soll das eine gute und günstige Alternative sein, wenn man nicht gleich zu hochpreisigen Produkten greifen will.
Liebe Grüße,
Sarah
Danke für den ausführlichen Artikel! Es ist schon ärgerlich, dass die umstrittenen Filter immer noch in fast allen Produkten verwendet werden, wo es doch inzwischen genug gute Alternativen gibt (z.b. Tinsorb und Mexoryl). Aber überall sind auch umstrittene Filter wie Octocrylene, Cinnamate und Avobenzone drin…
Was mir noch nicht ganz klar ist, warum eignet sich Octocrylene Dank seiner Öllöslichkeit gut für Sonnengele? Die sind doch meist fettfrei!?
Liebe Grüße
Hallo Lizzy,
Gele können fettfrei formuliert sein, soviel ich weiß enthalten aber die meisten eine Ölkomponente in Form von Fettalkoholen. Viele dieser Fettalkohole hinterlassen auf der Haut keinen Fettfilm und lassen sich einfach einarbeiten (C12-15 Alkyl Benzoate; Dicaprylyl Carbonate, etc.). Daher hat man manchmal vielleicht den Eindruck, Sonnengele seien fettfrei, wobei sie es meistens eigentlich nicht sind. Fällt Dir spontan ein Sonnengel ein, das komplett auf eine Ölkomponente erzichtet? Ich habe gerade mal bisschen geschaut, aber auf die Schnelle leider nichts entsprechendes gefunden.
Liebe Grüße,
Sarah
Hallo Sarah.
Danke für deinen ausführlichen Artikel. Ich habe alle möglichen Horrorgeschichten zu octocrylene im Internet gefunden. Da bin ich froh, dass du hier nüchtern und gut dokumentiert erklärst was Sache ist 🙂
Viren Dank!
Liebe Grüße Elisabeth
Elisabeth!!! 1000 Dank für deine vielen lieben Kommentare jedem Mal ? Freue mich riesig, dass du dich so nach und nach durch alle Artikel zu lesen scheinst.
Verzeih, dass ich auf deine letzte Frage zu den oligopeptiden noch nicht geantwortet habe..
Zur Zeit, weiß ich nicht, wo mir der Kopf steht. Aber werde mich morgen dran setzen und dir antworten – nur muss ich da selbst erst noch kurz was Nachlesen und kann es dir nicht so direkt aus dem stehgreif beantworten ?
Liebste Grüße und bis bald ?
Liebe Sarah,
Danke für deinen Blog, den besten zum Thema Hautpflege, den ich kenne. In der „Welt“ habe ich etwas beunruhigendes über Octocrylene gelesen:
„Eine Studie der University of California konnte nachweisen, dass Sonnenmilch unter bestimmten Umständen sogar direkte Schäden in der Haut auslösen kann. Die Chemiker um Kerry Hanson entdeckten, dass die auch in Deutschland für Sonnenmilch zugelassenen UV-Filter Octylmethoxycinnamat, Benzophenon-3 und Octocrylen relativ schnell in tiefere Hautschichten eindringen. Was zur Folge hat, dass die oberen Schichten den Sonnenschutz verlieren. Zudem verwandeln sich die UV-Filter in den Tiefen des Gewebes zu Produzenten hochreaktiver Sauerstoffverbindungen. Was konkret bedeutet: Sie produzieren am Ende genau das, wovor sie eigentlich im Bombardement der UV-Strahlen schützen sollten, nämlich oxidativen Stress.“
Was denkst du darüber?
Schöne Grüße
Friedrich