Anfang der Woche habe ich mein Krafttraining im Park nebenan absolviert und bin mit etwas wackeligen Beinen wieder nach Hause gejoggt (Hello Legday!). Nach der wohlverdienten Dusche erstmal etwas Kleines essen, denn nach dem Training die Energiereserven wieder aufzufüllen ist wichtig. Nichts zu essen, in der Hoffnung das macht schlank, ist definitiv der falsche Ansatz. Idealerweise nimmt man direkt nach dem Training eine Kombination aus Kohlenhydraten und Eiweiß zu sich. Kohlenhydrate füllen die Glycogenspeicher im Muskel wieder auf und stoppen die katabole (muskelabbauende) Phase, während Eiweiß den Muskelaufbau begünstigt. Gut gesättigt erklimme ich nach dem Essen gerne das Sofa- Regeneration ist schließlich ein wichtiger Teil eines jeden Trainigsplans. Und weil es dort so gemütlich ist, will ich am liebsten schon in die Kekstüte greifen, ist schließlich alles nicht so wild, denn da gibt es ja diesen “Nachbrenneffekt” von dem alle immer reden. Die Kekse müssten also gar nicht ins Gewicht fallen. Richtig oder falsch? Während mich also diese Frage rumtreibt und ich es genau wissen will, lege ich die Kekstüte beiseite und befrage mal wieder das Internet, Pubmed und meine Biochemie/Metabolismus Bücher. Was ich hierbei erfahren habe, will ich gerne mit euch teilen.
Der Nachbrenneffekt tritt vor allen nach sehr intensiven Trainingseinheiten auf und bezeichnet die gesteigerte Stoffwechselaktivität nach dem Training [1]. Um den Nachbrenneffekt wird unter Experten und Wissenschaftlern nach wie vor heiß diskutiert: wie lange wirkt er, bei welcher Trainingsart ist er am höchsten und ist er vielleicht ein Wundermittel zum Abnehmen? Vorneweg: die Kombination aus “Wundermittel” und “Abnehmen” immer problematisch. Denn wenn es darum geht, Gewicht zu verlieren und/oder seinen Körper zu definieren, gibt es einfach keine Wundermittel. Eine gesunde, ausgewogene Ernährung und regelmäßiges Training sind der Schlüssel.
Was ist nun aber wirklich dran am Nachbrenneffekt- überschätzt oder völlig vernachlässigt? Um dieser Frage auf die Spur zu kommen habe ich euch 10 Facts zum Nachbrenneffekt zusammengestellt.
1. Snapshot: die Phasen des Nachbrenneffekts
Phase 1: Sofort nach dem Training hat der Körper einen erhöhten Energie- und Sauerstoffbedarf. In Blut und Muskeln werden die Sauerstoffspeicher (Hämoglobin/ Myoglobin) wieder aufgefüllt, die schnellen Energierlieferanten ATP (Adenosintriphosphat) und Kreatinphosphat werden regeneriert und durch intensives Training produziertes Laktat wird abgebaut. All diese Prozesse benötigen Energie (Kalorien) und erfolgen innerhalb der ersten Stunde nach dem Training.
Phase 2: Die Nachbelastungsphase kann bis zu mehrere Stunden nach dem Trainingsende andauern und zeichnet sich hauptsächlich durch eine aktive Eiweißverwertung aus. Denn nach dem Training ist die Muskulatur ermüdet, abgespannt und benötigt Aminosäuren zum Wiederaufbau von Proteinen in den Muskelzellen. Folgendes klingt nun erstmal unlogisch: für den Aufbau neuer Proteine müssen die dafür benötigten Aminosäuren zunächst aus bestehendem Protein bereitgestellt werden. Der bloße Transfer ganzer Proteine ist nicht möglich, daher wird also erst abgebaut um später wieder aufbauen zu können. Diese komplizierten Ab- und Aufbauprozesse benötigen viel Energie, es werden also wieder Kalorien verbrannt. Außerdem laufen noch viele weitere “energiefressende” Prozesse ab, die sich positiv auf die Energiebilanz auswirken:
- Adrenalin- und Noradrenalinkonzentrationen im Blut sowie die Körperkerntemperatur sind erhöht, was zu schnelleren Stoffwechselprozessen führt
- erhöhte Herz- und Atemfrequenz erhöhen die Sauerstoffaufnahme
- beim Schwitzen wurden neben jeder Menge Wasser auch Salze (Ionen) ausgeschieden, zur Wiederherstellung der Ionenbilanz sind energieabhängige Prozesse nötig
Phase 3: Je nach dem, wie anstrengend das Training war, kann die letzte Phase des Nachbreffekts bis zu zwei Tage andauern. Jedoch wird hier nicht mehr allzuviel Energie in Folge des eigentlichen Trainings verbraucht. Vielmehr ergibt sich dieser Energieverbrauch aus der Tatsache, dass die Muskeln auch noch ein paar Tage nach dem Training unter Spannung stehen, man evtl sogar einen Muskelkater verspürt.
2. Was ist entscheidend für den Nachbrenneffekt?
Gute Nachricht: lange Trainingssessions sind nicht nötig. Schlechte Nachricht: sie müssen dafür umso härter sein. Um einen hohen Nachbrenneffekt zu erzielen, ist die Intensität das Zauberwort. Hier sticht ein kurzes und knackiges Kraft-/Zirkel oder Hochintensitätstraining (HIIT) das Ausdauertraining aus. Wissenschaftliche Studien bemessen die Dauer des Nachbrenneffekts nach einem HIIT auf bis zu 72h [2], während ein Ausdauertraining auf gerade mal 24h kommt (trotzdem haben aber Ausdauereinheiten absolut ihre Daseinsberechtigung, denn hier ist der Energieumsatz höher).
3. Was ist die effektivste Trainingsmethode für einen maximalen Nachbrenneffekt?
Zirkeltraining- klingt irgendwie angestaubt? Weit gefehlt, denn es ist die Trainingsmethode schlechthin, die in kurzer Zeit viele Kalorien verbrennt und einen maximalen Nachbrenneffekt erzielt. Weiterer Benefit: es werden gleichzeitig Kraft, Ausdauer und Koordination trainiert. Ein gut aufgebautes Zirkeltraining fordert gleichermaßen alle Muskelgruppen sowie das Herz-Kreislaufsystem. Wer also wenig Zeit hat und trotzdem effektiv trainieren will, ist beim Zirkeltraining gut aufgehoben. Anregungen hierfür gibt es z.B. beim CrossFit, bei Freeletics, Jillian Michaels oder Kayla Itsines.
4. Trainingsdauer
Für mich persönlich gibt es ja nichts Schlimmeres als stundenlang auf einem Crosstrainer oder Stepper zu stehen. Es ist langweilig und auch noch so unglaublich ineffektiv. Abgesehen davon wird durch solch ein Training der Nachbrenneffekt kaum gesteigert. Der entscheidende Faktor ist die Trainingsintensität. Mittlererweile gilt es as unbestritten, dass schon 15-30 min intensives HIIT reichen (und ich meine „schon-fast-an-der-Kotzgrenze-intensiv“ oder mehr wissenschaftlich ausgedrückt über 80% der maximalen Herzfrequenz), um den Nachbrenneffekt auf Touren zu bringen.
5. Nachbrenneffekt und Ausdauertraining
Wissenschaftlich gesehen ist seit 2002 erwiesen, dass das Intervalltraining nicht nur die effektivste Trainingsmethode zur Leistungssteigerung und Fettverbrennung ist, sondern auch den größten Nachbrenneffekt erzielt [3]. Im Vergleich zu einem Ausdauertraining mit gleichbleibender Belastungsintensität, konnte beim Intervalltraining ein bis zu 3x höherer Nachbrenneffekt festgestellt werden.
Der Irrglaube, dass „langes Laufen, ohne Schnaufen“ ausreicht, um schnell und einfach abzunehmen, hält sich leider immer noch hartnäckig. Keine Frage, lange Läufe verbrennen einen Haufen Kalorien, aber wenn es nur darum geht, abzunehmen und nicht etwa an der Ausdauer o.ä. zu arbeiten, gibt es zeitsparendere Methoden. Nicht der Umfang der Ausdauerbelastung ist entscheidend, sondern die Intensität. Kurze, intensive Belastungen, die der Körper auch als tatsächliche Belastung empfindet, stellen die effektivste Variante zum Erreichen eines Nachbrenneffektes dar.
6. Nachbrenneffekt und Krafttrainig
„Wer abnehmen will, kommt am Krafttraining nicht vorbei.“ Dem stimme ich absolut zu! Doch wer auch hier vom Nachbrenneffekt profitieren will, muss sehr intensiv trainieren. Studien sprechen von einem Nachbrenneffekt, der bis zu 20% der im Training verbrauchten Kalorien ausmachen kann, sofern zuvor ein intensives Krafttraining absolviert wurde [4]. Ein mittelintensives Training mit ca. 8 Übungen, 3 Sätzen und jeweils 15 Wiederholungen wäre hierbei nicht ausreichend. Auch hier gilt, egal ob Einsatz-, Dreisatz-, Muskelaufbau- oder Kraftausdauertraining, entscheidend ist wieder die Intensität.
7. Zahlen bitte: wie hoch ist der Nachbrenneffekt?
Hier wird es schwammig, denn die Problematik ist die fehlende Vergleichbarkeit der einzelnen absolvierten Studien. Folglich kommt also Studie A zudem Schluss, dass der Nachbrenneffekt keine entscheidende Rolle spielt, während Studie B von einem Nachbrenneffekt spricht, der bis zu 48h andauern und sich auf bis zu 200 kcal belaufen kann. Außerdem sind heutzutage in der Wissenschaft Schätzungen zufolge ohnehin nur 5% aller Studien reproduzierbar (sehr traurig, aber das ist ein anderes Thema). Alles also etwas schwierig zu beurteilen.
Da wir aber Zahlen wollten, gehe ich auf eine Studie etwas genauer ein. Diese australische Studie soll erwiesen haben, dass der Nachbrenneffekt bei einem fordernden, intensiven Training am höchsten ist. Aha, so weit waren wir ja bereits, also weiter: ein Ausdauertraining im intensiven Bereich, wie z.B. Intervallläufe im Spitzenbereich, verbraucht dank des Nachbrenneffekts noch einmal 10-15% der im Training verbrannten Kalorien (bei 500 kcal werden also nochmal 50-75 kcal „nachgebrannt“). Ein gemäßigtes Ausdauertraining hat zwar auch noch einen Nachbrenneffekt, jedoch fällt dieser mit maximal 5% vergleichsweise gering aus [3].
8. Stoppen Kohlenhydrate den Nachbrennefekt?
Wer vom Nachbrenneffekt profitieren will, muss sich im Training also ordentlich schinden. Aber wie sieht das nun mit dem Essen aus? Oft hört man, dass man ein paar Stunden nach dem Training keine Kohlenhydrate zu sich nehmen soll, um den Nachbrenneffekt nicht zu stoppen. Kurz gesagt handelt es sich hierbei um eine Verwechselung mit dem Fettstoffabbau. Dieser kann unter bestimmten Vorraussetztungen durch Kohlenhydrate tatsächlich reduziert sein. Denn überschüssige Kohlenhydrate, die nicht unmittelbar zum Auffüllen der Glycogenspeicher oder zur sofortigen Energiegewinnung genutzt werden, speichert der Körper in Form von Fett. Die Folge: Fettsynthese hoch, Fettabbau runter.
Der Nachbrenneffekt bleibt also von Kohlenhydraten unberührt. Wäre ja geradezu traumhaft, wenn eine Portion Nudeln im Handumdrehen alle Regenerations- und Stoffwechselprozesse erledigen würde.
9. Kann man den Nachbrenneffekt nachweisen bzw. messen?
Den Nachbrenneffekt selbst kann man nicht direkt messen, denn wie beschrieben setzt er sich aus der Masse an verschiedenen, parallel ablaufenden Stoffwechselprozessen zusammen und kann je nach Art des Workouts unterschiedlich lang andauern. Jedoch lassen sich indirekt über den Sauerstoffgehalt in der Ausatemluft Rückschlüsse auf den Energieverbrauch ziehen.
Die Messung des Sauerstoffgehalts erfolgt letztendlich mittels Atemmaske und Spirometriegerät, das man während und nach der Belastung trägt. Um nun den Nachbrenneffekt zu bestimmen, muss man den Energieverbrauch während dem Training kennen. Das ist aber trotz Pulsuhren oder Anzeigen auf Cardiogeräten relativ ungenau, da jeder Stoffwechsel individuell ist und der tatsächliche Energieverbrauch von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Alter, Geschlecht, hormoneller Status, Schlaf, Ernährung, Stress, Krankeiten, … haben neben der Trainingsintensität direkten Einfluss auf den individuellen Energieverbrauch. Für den Nachbrenneffekt lassen sich also höchstens relative Werte ermitteln.
10. Ist der Nachbrenneffekt überschätzt?
Kleines Rechenbeispiel an dieser Stelle: wer in einem hochintensiven Training 500 kcal verbrannt hat, kann bei einem Nachbrenneffekt von angenommen 15% nochmal etwa 75 kcal obendrauf rechnen. Meiner Meinung lässt das jetzt aber keinen allzu großen Griff in die Kekstüte zu… Mein Veto geht also Richtung „überschätzt“.
Ob überschätzt oder nicht, was ich probematisch finde, wäre nun herzugehen und jedes Training daran aufzuhängen, wie hoch der Nachbrenneffekt ist. Eine Variation der Trainingsart und –intensität ist die einzige Möglichkeit sich kontinuierlich zu verbessern und zu steigern. Daher würde ich mich nicht zu sehr auf den Nachbrenneffekt fokussieren, sondern ihn als netten Benefit nach HIIT Einheiten mitnehmen.
So, nun kennen wir also die wichtigsten Facts zum Nachbrenneffekt- was wird sich dadurch bei mir ändern? Um ehrlich zu sein: nichts! Ich habe es ja bereits im letzten Post erwähnt, dass ich nicht dauerhaft nur eine Sportart betreiben kann und will. Das lässt sich für mich auch auf die Trainingsintensität übertragen. Der Wechsel von langen Ausdauereinheiten und kurzen, intensiven Workouts hat für mich immer noch den größten Reiz. In diesem Sinne mache ich mich jetzt mit dem Bauchmuskelkater vom gestrigen Krafttraining auf zum langen Sonntagslauf an der Isar.
Quellen:
[1] Borsheim, E. & Bahr, R., Sports Med. 2003;33(14):1037-60. Effect of exercise intensity, duration and mode on post-exercise oxygen consumption.
[2] Helden, T. et al., Eur J Appl Physiol. 2011 Mar;111(3):477-84. doi: 10.1007/s00421-010-1666-5. Epub 2010 Oct 1. One-set resistance training elevates energy expenditure for 72 h similar to three sets.
[3] Schuenke MD, Mikat RP, McBride JM., Eur J Appl Physiol. 2002 Mar;86(5):411-7. Effect of an acute period of resistance exercise on excess post-exercise oxygen consumption: implications for body mass management.
[4] La Forgia, J Sports Sci. 2006 Dec;24(12):1247-64. Effects of exercise intensity and duration on the excess post-exercise oxygen consumption.
Danke für diesen interessanten Beitrag. Habe ich das jetzt richtig verstanden, dass wenn ich abnehmen will, ich ein paar Stunden nach dem Training keine bzw nur wenige KHs essen sollte, um den Fettstoffwechsel nicht zu vermindern?
Hallo Anne,
richtig! Alle, die tatsächlich abnehmen wollen, sollten auf eine eiweißreiche Mahlzeit nach dem Sport bauen. So wird die Muskulatur optimal versorgt und kann regenerieren… wäre ja noch schöner, wenn der Körper ausgerechnet die schwer erarbeiteten Muskeln zur Energiegewinnung heranziehen würde 😉
Liebe Grüße,
Sarah
Hallo Sarah, danke für deine Antwort. Ich werde mal noch ein bisschen Deinen Blog durchforsten, so viele interessante Themen 🙂
Liebe Grüße Anne
Oh, danke!! Wie lieb :*
Das ist ein toller Artikel! Sehr informativ und super aufgebaut!
Hallo Dani,
danke fürs Vorbeischauen und Deinen Kommentar 🙂
Liebste Grüße und einen tollen Tag Dir,
Sarah