care | INCI-Wiki (28): alpha-Liponsäure

Die Gesellschaft für Dermopharmazie e.V. hat kosmetische anti-Aging Inhaltsstoffe 2012 in verschiedene Kategorien eingeteilt. Abhängig von der Studienlage und der Evidenz für ihre Wirksamkeit lassen sich Dermokosmetika gegen Hautalterung demnach in drei Gruppen einteilen:

  1.  Wirkstoffe mit in vivo belegter Wirksamkeit
  2. Wirkstoffe mit in vitro belegter Wirksamkeit
  3. sonstige Wirkstoffe

Für das heutige INCI-Wiki habe ich einen Inhaltsstoff aus der ersten Kategorie ausgewählt und diesen genauer unter Augenschein genommen. Ich war überrascht, wie viele interessante Publikationen es zu alpha-Liponsäure gibt – auch ganz unabhängig vom dermatokosmetischen Standpunkt. Um das Format nicht zu sehr zu sprengen, beschränke ich mich aber natürlich in erster Linie auf den Einsatz in kosmetischen Zubereitungen. Bühne frei für ein wahres Schwergewicht in Sachen anti-Aging!

Kategorie

Antioxidans, anti-Aging Substanz

Chemische Bezeichnung

(R)-(+)-5-(1,2-Dithiolan-3-yl)-pentansäure

INCI und Derivate

Thioctic acid (INCI), alpha-Liponsäure, Thioctsäure, 1,2-Dithiolan-3-pentansäure, 1,2-dithiolane-3-pentanoic acid

Wirkungsweise

  • starkes Antioxidans: neutralisiert reaktive Sauerstoffspezies, die z.B. im Zusammenhang mit Zigarettenrauch oder UV-Strahlung in der Haut entstehen [1]
  • regeneriert verbrauchte Antioxidantien wie Vitamin E, Vitamin C, CoenzymQ10 und Gluthathion [2]
  • topisch aufgetragene alpha-Liponsäure führt zu signifikanten Verbesserungen alterungsbedingter Hautveränderungen [3]
  • verbessert die Kollagensynthese in Fibroblasten (Hautzellen)
  • schützt die Hautbarriere indem die Oxidation der in der Zellmembran enthaltenen ungesättigten Fettsäuren verhindert wird. Dadurch bleibt die Zellmembran geschmeidig und behält ihre natürliche Integrität, was letztendlich dem Funktionsverlust der Hautbarriere vorbeugt.
  • lässt Hyperpigmentierungen und dunkle Flecken verblassen, indem die Synthese des braunen Hautfarbstoffes (Melanin) reguliert wird
  • reduziert die Tiefe von Falten und Fältchen
  • lindert die Symptome bei Sonnenbrand, wenn es direkt nach Einwirkung der UV-Strahlung aufgetragen wird

Einsatzkonzentration

2-5%

Formulierung

Eine Studie von 2015 hat erneut unterstrichen, dass die topische Verfügbarkeit aktiver Substanzen von zwei grundlegenden Aspekten abhängt: der Freisetzung der Substanz aus dem entsprechenden Trägermaterial und der anschließenden Penetration in die Haut [4]. Dies zeigt auf, dass also nicht allein die Konzentration der enthaltenen Substanz entscheidend für die Wirksamkeit ist, sondern vor allem auch deren Formulierung. Viel zu oft wird dieser Aspekt vernächlässigt, was mir besonders im Zusammenhang mit einigen Produkten von The Ordinary aufgefallen ist. Hier werden durchaus einige interessante INCIs eingesetzt, zum Teil in schwindelerregend hoher Konzentration und jeder denkt sich: wow, das ist es! Die Ernüchterung hat sich (zumindest beim mir) schnell eingestellt, denn ohne die entsprechende Grundlage und Formulierung wird zwar fleißig gecremt und eingeklopft, eine überzeugende Wirkung blieb jedoch in den meisten Fällen aus.

Nun aber zurück zur alpha-Liponsäure (ALA): im letzten Jahrzehnt bekam ALA aufgrund ihrer überzeugenden Wirksamkeit als starkes Antioxidans immer mehr Aufmerksamkeit auch in der Kosmetikindustrie. In besagter Studie von 2015 wurde herausgefunden, dass die Freisetztung von ALA aus der kosmetischen Zubereitung stark von deren Formulierung abhing. Grundsätzlich ist ALA sowohl in Wasser als auch Fett löslich, jedoch erwies sich eine Emulsion, in der ALA in dem Fettalkohol Propylene Glycol gelöst wurde und anschließend in Kombination mit Ceteareth-20, Cetearyl alcohol, Cetyl palmitate, Isopropyl myristate, PEG-75 lanolin, Dimethicone copolyol formuliert wurde, als besonders günstig. Hier war die Freisetzung aus dem Trägermaterial und die anschließende Penetration der Haut optimal.

Funfact

alpha-Liponsäure kann in Form eines Nahrungsergänzungsmittels konsumiert werden. Es soll diverse präventive und therapeutische Wirkungen haben, die letztendlich vor allem auf die antioxidative Aktivität der ALA zurückzuführen sind. So wird ALA nachgesagt, entzündungshemmend, antimutagen, antikarzinogen und neuroprotektiv zu sein, zudem erhöht sie die Insulinempfindlichkeit und verzögert die (Zell-)Alterung [2].

ALA taucht zudem immer wieder im Zusammenhang mit „Gewichtsverlust“ auf, weshalb viele Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln auf diesen Zug aufgesprungen sind. Schaut man aber genauer in die Primärliteratur, so ist der Gewichtsverlust unter ALA Einnahme bisher nur im Zusammenhang mit einer Therapie übergewichtiger Schizophrenieerkrankter unter einer Medikation mit atypischen Antipsychotika beobachtet worden [5]. Dass die Industrie dies nun gleich wieder als Fakt dafür hernimmt, dass dieser Gewichtsverlust auch für gesunde Menschen funktioniert, ist nicht weiter erstaunlich, wenn man bedenkt, dass zu viele Menschen nach wie vor nach einem bequemen Weg suchen, Gewicht zu verlieren (… anstatt langfristig auf ihre Ernährung zu achten und regelmäßig Sport zu treiben).

Dreamteam

Wie bereits im Abschnitt „Formulierung“ angedeutet ist die Umgebung, in der ALA vorliegt entscheidend. Aber auch als reines Additiv, zur Stabilisierung anderer Antioxidantien in der selben Formulierung ist ALA durchaus nützlich: z.B. für Vitamin E, Vitamin C und Vitamin A.

Good to know

alpha-Liponsäure ist ein Naturstoff, der vom Körper selbst produziert wird und in besonders hoher Konzentration in den Mitochondrien unserer Zellen zu finden ist. Mitochondrien sind für die Zellatmung und die Energiegewinnung essentiell. Bei der Aufnahme von Sauerstoff und dessen Verarbeitung in Energieträger entstehen häufig freie Radikale – es macht aus biochemischer Sicht also durchaus Sinn, dass ALA gerade in den Mitochondrien so hochkonzentriert vorliegt. Seiner Wirksamkeit als starkes Antioxidant hat ALA es also zu verdanken, dass auch die Kosmetikindustrie den Nutzen dieses Inhaltsstoffes begriffen hat und im Einsatz gegen bereits bestehende Hautalterung, als auch prophylaktisch gegen vorzeitige Hautalterung einsetzt.

Wichtig ist jedoch zu beachten, dass ALA wie viele chemische Verbindungen in zwei Arten vorliegt, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten: R-alpha-Liponsäure und S-alpha-Liponsäure sehen identisch aus, nur die Orientierung ist eine andere. Bei der industriellen Herstellung von ALA entstehen immer beide Formen, jedoch ist nur R-Alpha Liponsäure die biologisch wirksame Variante. Nicht alle Hersteller berücksichtigen diese Tatsache und formulieren eher das Gemisch, anstatt R-Alpha Liponsäure. Dies hat Auswirkungen auf die Wirksamkeit und den Preis – beides sinkt deutlich.

Literaturangaben

[1] Yıldırım Baş et al., Effect of alpha lipoic acid on smoking-induced skin damage. Cutan Ocul Toxicol. 2017 Mar;36(1):67-73.

[2] Gorąca et al., Lipoic acid – biological activity and therapeutic potential. Pharmacol Rep. 2011;63(4):849-58.

[3] Beitner, Randomized, placebo-controlled, double blind study on the clinical efficacy of a cream containing 5% alpha-lipoic acid related to photoageing of facial skin. Br J Dermatol. 2003 Oct;149(4):841-9.

[4] Borges Isaac et al., Rheology as a Tool to Predict the Release of Alpha-Lipoic Acid from Emulsions Used for the Prevention of Skin Aging. Biomed Res Int. 2015;2015:818656.

[5] Kim et al., Adjunctive α-lipoic acid reduces weight gain compared with placebo at 12 weeks in schizophrenic patients treated with atypical antipsychotics: a double-blind randomized placebo-controlled study. Int Clin Psychopharmacol. 2016 Sep;31(5):265-74.

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0 thoughts on “care | INCI-Wiki (28): alpha-Liponsäure

  • Toller Beitrag! Ich habe mal gerade nach Produkten mit ALA geschaut, kam aber auf Anhieb nur auf Paula’s Choice Resist Super Antioxidant Concentrate Serum. Kennst du noch empfehlenswerte Produkte mit ALA?
    LG
    Aylin

    • Danke fürs Vorbeischauen und deinen Kommentar.
      Bzgl. ALA geht es mir ähnlich, ich finde auch keine anderen produkte damit. Vermutlich meiden viele Hersteller ALA weil es so instabil ist und oft nicht sehr Anwenderfreundlich daher kommt: nicht jeder verträgt es und die meisten Hersteller wollen eben auf Nummer sicher gehen, wenn sie ein Produkt auf den Markt bringen. Da sich die meisten Anwender nicht ausreichend mit Wirkstoffpflege auskennen, werden viele Wirkstoffe deshalb oft nicht formuliert, weil sie mit Bedacht verwendet werden müssen. In der breiten Masse macht das nun aber kaum jemand und eventuelle Nebenwirkungen, würden dem Image der entsprechenden Firma einfach zu sehr schaden.

      Liebe Grüße,
      Sarah

  • Hallo Sarah!

    Hast du Mal Lust ein Review zu the Ordinary zu machen (ein bisschen dazu hast du schon auf deinen Instagram-account gesagt)? Mich würde eine kritische Auseinandersetzung mit den sehr gehypten Produkten sehr interessieren! Woran erkennt man denn eine schlechte Formulierung – abgesehen von der ausbleibenden Wirkung 😉 ?

    Liebe Grüße,
    Elisabeth

    • Hallo liebe Elisabeth,

      danke für deinen Input!! Dennoch werde ich in nächster Zukunft keine Review zu den The Ordinary Produkten verfassen. Das liegt einerseits daran, dass es bereits unzählige Posts in diese Richtung gibt und andererseits, dass ich nur selten Reviews verfasse, denn das passt nur sehr selten in das Konzept von eattraincare.
      Wenn es um Formulierungen geht, bin ich leider auch schon wieder der falsche Ansprechpartner… bzw. bin ich da einfach nicht so firm, als dass ich einen vollständigen Artikel darüber verfassen wollen würde. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass für Pflegeprodukte nicht nur das „was“ (also die Inhaltsstoffe) stimmen müsschen, sondern auch das „wie“ (also die Formulierung). Denn oft sind manche Inhaltsstoffe für sich gesehen z.B. nicht hautgängig und man benötigt den entsprechenden pH-Wert, Verkapselungen in Liposomen/Niosomen/etc., Penetrationsförderer und dergleichen. „Schlechte“ Formulierungen klingt etwas hart, aber ich denke gemeint sind solche Dinge wie: falsche Lösungsmittel (reizend, harsch oder anderweitig hautunverträglich), falsche ph-Werte, niedrige unwirksame Konzentrationen,…

      Tut mir leid, dass ich Dir da nicht mehr und bessere Antworten liefern kann, aber vermutlich würde Dir da ein/e Pharmazeut/in, Verfahrenstechniker o.ä. eher helfen können. Ich als Biochemikern kann Dir zwar erzählen, wie im Körper Dinge wirken und was man braucht, aber im Hinblick auf die technische/galenische Gestaltung von Produkten, bin ich selbst nicht 100% sicher unterwegs.

      Liebste Grüße,
      Sarah

      • Hallo Sarah!
        Ja ich verstehe. Vielen Dank für deine ehrliche Antwort! 🙂

        Ich weiß nicht ganz, was ich von The Ordinary halten soll. SKINCI hat auch Magi-mania vorher echter, dass das 2% Advanced Retinoid nur aus 0,1% Retinol und 0,19% Hydroxypinacolone Retinoate (+ 1,71% Dimethyl Isosorbide) besteht. Zu den Peptide, die sie reinmischen fehlen noch Studien die ihre Wirksamkeit beweisen… Ich habe noch jetzt trotz allem Misstrauen dazu entschieden dass 1% Retinol zu kaufen – einfach weil der Preis unschlagbar ist. Aber ich werde definitiv nicht ihre alpha-Liponsäure-Serum kaufen, da ich Dank deines Artikels jetzt weiß, dass bei alpha-Liponsäure die Formulierung sehr entscheident ist 😉

        Danke für diesen informativen Artikel!

        Liebe Grüße,
        Elisabeth

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